Die Säulen der Schöpfung - 13
kaiserlichen Zelte ragte aus der Eintönigkeit der winzigen Quartiere für die gewöhnlichen Soldaten heraus wie ein königlicher Palast aus den ihn umstehenden Hütten.
Jennsens Herz raste, als sie ihre Pferde in das dichte Getümmel innerhalb des Lagers lenkten. Beide, sowohl Rusty als auch Pete, bekundeten ihre bösen Vorahnungen mit einem Schnauben, als sie diesen lärmigen, geschäftigen Ort betreten sollten. Sie trieb Rusty nach vorn, um Sebastians Hand zu ergreifen.
»Deine Hand ist ja völlig verschwitzt«, meinte er lächelnd. »Du bist doch nicht etwa aufgeregt, oder?«
»Ein bißchen vielleicht«, erwiderte sie.
Ihr Vorhaben festigte jedoch ihre Entschlossenheit.
»Aber das brauchst du nicht. Kaiser Jagang wird es sein, der nervös ist, weil er einer so schönen Frau begegnet.«
Jennsen spürte, wie ihr die Hitze ins Gesicht stieg. In Kürze sollte sie einem Kaiser gegenübertreten. Was ihre Mutter wohl dazu sagen würde? Im Weiterreiten dachte sie darüber nach, wie sich ihre Mutter, ein junges Mädchen und Bedienstete des Palasts – ein Niemand also – gefühlt haben mußte, als sie Darken Rahl persönlich begegnet war. Zum allerersten Mal konnte Jennsen sich ein wenig in die Ungeheuerlichkeit dieses Ereignisses im Leben ihrer Mutter hineinversetzen.
Jennsen wurde von allen Seiten angestarrt. Soldaten kamen in Scharen herbeigeströmt, um die ins Lager reitende Frau in Augenschein zu nehmen. Sie sah, daß eine Reihe von Soldaten mit Langspießen sich zu einem lockeren Spalier entlang ihres Weges formierte, um die nachdrängenden Männer zurückzuhalten, und erkannte, daß die Gardisten ihnen den Weg freihielten, um zu verhindern, daß ihnen einer der Soldaten zu nahe kam.
»Der Kaiser ist von unserem Kommen unterrichtet«, erklärte Sebastian.
»Wie ist das möglich?«
»Nach unserer Begegnung mit den Kundschaftern vor ein paar Tagen, und später dann mit den näher am Lager stehenden Posten heute Morgen, hat man Boten vorausgeschickt, um Kaiser Jagang meine Rückkehr zu melden. Und daß ich nicht allein komme. Kaiser Jagang möchte gewiß die Sicherheit jedes Gastes gewährleisten, den ich mitbringe.«
»Die Soldaten machen einen so … ich weiß nicht … unzivilisierten Eindruck, ja, so muß man es wohl nennen.«
»Würdest du etwa, im Augenblick, da du Lord Rahl dein Messer ins Herz stoßen willst«, hielt Sebastian sofort dagegen, »einen Knicks vor ihm machen und dich bei ihm bedanken, um ihm deine gute Kinderstube zu beweisen?«
»Natürlich nicht, aber…«
Er richtete zögernd seine blauen Augen auf sie. »Als diese Rohlinge in dein Haus eindrangen und deine Mutter ermordeten, von welcher Art Soldaten hättest du dich in diesem Moment lieber beschützen lassen?«
Jennsen reagierte leicht verstört. »Ich weiß wirklich nicht, Sebastian, was das damit zu tun hat…«
»Würdest du elegant herausgeputzten Soldaten in poliertem Leder und mit höflichen Manieren – wie sie ein angeberischer König bei einem eleganten Abendessen aufmarschieren ließe – etwa zutrauen, deine geliebte Mutter in einem letzten, verzweifelten Aufbäumen gegen den Ansturm einer zu allem entschlossenen Mörderbande zu verteidigen? Oder wäre es dir lieber, wenn sich noch unzivilisiertere Männer schützend vor deine Mutter stellten? Wäre es dir nicht auch lieber, wenn Männer, die die schlimmsten Kampfmethoden beherrschen, zwischen ihr und den gewalttätigen Kerlen stünden, die fest entschlossen sind, sie umzubringen?«
»Ich glaube, ich verstehe, was du meinst«, mußte Jennsen zugeben.
»In genau dieser Funktion dienen all diese Soldaten ihren Lieben daheim in der Alten Welt.«
Die unerwartete Begegnung mit der schrecklichen Erinnerung war so entmutigend und schmerzhaft, daß sie ihre liebe Not hatte, sie wieder aus ihren Gedanken zu verbannen; außerdem fühlte sie sich durch Sebastians aufgebrachte Erwiderung zurechtgewiesen. Sie war aus einem ganz bestimmten Grund hierher gekommen, und dieser Grund allein zählte. Wenn die gegen die Streitkräfte Lord Rahls aufgebotenen Männer zu Gewalt und Gemeinheit neigten, um so besser.
Erst als sie das schwer bewachte Gelände rings um die Zelte des Kaisers erreicht hatten, sah Jennsen andere Frauen. Es war eine seltsame Mischung, Manche wirkten sehr jung, andere dagegen waren bereits vom Alter gebeugt. Die meisten maßen sie mit neugierigen Blicken, einige betrachteten sie mit leisem Argwohn, und einige wenige schienen sogar leicht alarmiert.
»Wieso
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