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Die Säulen der Schöpfung - 13

Die Säulen der Schöpfung - 13

Titel: Die Säulen der Schöpfung - 13 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Terry Goodkind
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uns Schutz. Deine Weisheit beschämt uns. Wir leben nur, um zu dienen. Unser Leben gehört dir.«
    Anfangs erinnerte sich Jennsen nur schwach an sie, aus ihrer Jugendzeit, damals, als sie im Palast gelebt hatte. Doch als sie sie jetzt hörte, war die Erinnerung schlagartig wieder da. Sie kannte diese Worte, hatte sie selbst gesprochen, als sie noch ein kleines Mädchen gewesen war. Später dann, nach ihrer Flucht vor Lord Rahl aus dem Palast, hatte sie die Worte an den Mann, der sie und ihre Mutter zu töten versuchte, aus ihrem Gedächtnis verbannt. Als es sie jetzt nach der Stimme dürstete, die ihre Hingabe verlangte, begannen ihre zitternden Lippen sich fast so, als tue es ein anderer, zu den Worten zu bewegen.
    »Führe uns, Meister Rahl. Lehre uns, Meister Rahl. In deinem Licht werden wir gedeihen. Deine Gnade gebe uns Schutz. Deine Weisheit beschämt uns. Wir leben nur. um zu dienen. Unser Leben gehört dir.«
    Der Rhythmus der leise gemurmelten Worte füllte den gewaltigen Saal, als der Sprechgesang unzähliger Menschen kraftvoll von den Wänden widerhallte. Unter größter Anstrengung lauschte sie auf die Stimme, die sie begleitet hatte, beinahe so lange sie zurückdenken konnte, doch sie war nicht da.
    Dann wurde Jennsen hilflos von den anderen mitgerissen, hörte sich selbst deutlich die Worte sprechen.
    »Führe uns, Meister Rahl. Lehre uns. Meister Rahl. In deinem Licht werden wir gedeihen. Deine Gnade gebe uns Schutz. Deine Weisheit beschämt uns. Wir leben nur, um zu dienen. Unser Leben gehört dir.«
    Immer wieder intonierte Jennsen leise die Worte der Andacht, gemeinsam mit allen anderen, wieder und wieder ohne innezuhalten. Wieder und wieder, und doch ohne jede Hast.
    Der Sprechgesang begann ihre Gedanken zu vereinnahmen. Er lockte sie, rief sie. Ihre Gedanken wurden völlig von ihm ausgefüllt, während sie ihn ein ums andere Mal anstimmte. Er füllte sie so vollständig aus, daß kein Raum mehr blieb für irgend etwas anderes.
    Irgendwie machte er sie innerlich vollkommen ruhig.
    Die Zeit verging ganz wie von selbst, unmerklich, bedeutungslos.
    In gewisser Weise gab ihr der leise Sprechgesang ein Gefühl von Frieden. Sie fühlte sich an Betty erinnert, die ruhig wurde, sobald man ihr die Ohren kraulte. Das Gleiche schien jetzt mit Jennsens Zorn zu passieren. Sie sträubte sich dagegen, aber langsam, Stück für Stück, wurde sie in den Sprechgesang und seine Verheißung hineingezogen, bis eine innere Sanftmut und ein Gefühl des Friedens sie ausfüllte.
    In diesem Augenblick begriff sie, warum man es Andacht nannte. Allem anderen zum Trotz machte der Sprechgesang sie innerlich vollkommen leer, um sie anschließend mit einer tiefen Ruhe, einem gelassenen Gefühl der Dazugehörigkeit zu füllen. Die sanften Strahlen ringsumher erinnerten Jennsen an das Bild, das sie sich von den Gütigen Seelen gemacht hatte.
    Kurz darauf endete die Andachtsstunde.
    Jennsen richtete sich mit allen anderen gemeinsam wieder auf; ohne Vorwarnung entfuhr ihr ein Schluchzen.
    »Irgendwas nicht in Ordnung hier?«
    Ein Soldat baute sich vor ihr auf.
    Die Frau neben ihr legte einen Arm um Jennsens Schultern.
    »Ihre Mutter ist vor kurzem gestorben«, erklärte sie mit gedämpfter Stimme.
    Der Soldat machte plötzlich ein betretenes Gesicht.
    »Das tut mir leid, Ma’am. Euch und Eurer Familie mein aufrichtiges Beileid.«
    Jennsen sah seinen blauen Augen an, daß er jedes Wort ernst meinte.
    Verdutzt und sprachlos beobachtete sie, wie sich dieser hünenhafte und muskelbepackte Auftragsmörder des Lord Rahl wieder umdrehte und seine Runde fortsetzte. Mitgefühl, verborgen unter einer Rüstung. Wüßte er, wer sie war, würde er sie sofort in die Hände derer ausliefern, die dafür sorgen würden, daß sie eines langsamen und qualvollen Todes starb.
    Jennsen vergrub ihr Gesicht an der Schulter der unbekannten Frau und weinte um ihre Mutter deren Umarmung sie immer als so tröstlich empfunden hatte.
    Sie vermißte ihre Mutter so sehr. Und jetzt war auch noch die entsetzliche Angst um Sebastian hinzugekommen.

18. Kapitel
    Jennsen bedankte sich bei der Frau, die ländliche Szenen stickte und Wegbeschreibungen gab. Sie war längst wieder unterwegs, als ihr auffiel, daß sie nicht einmal den Namen der Frau kannte. Nun, im Grunde spielte es keine Rolle, sie hatten einander doch auch so verstanden.
    Nach Beendigung der Andacht schwoll der Lärm der vielen Menschen im Palast wieder an, bis er von den marmornen Wänden und Säulen

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