Die Säulen der Schöpfung - 13
besonderes Amulett mit magischen Kräften. Für einen Silberpfennig könnt Ihr unmöglich etwas falsch machen.«
»Nein, danke.«
Er lief seitwärts unmittelbar vor ihr her. »Nur einen Silberpfennig, die Dame.«
Um ein Haar wäre sie über die Füße des Mannes gestolpert. »Nein, danke. Laßt mich jetzt bitte in Frieden.«
»Dann vielleicht einen Kupferpfennig?«
»Nein.« Jennsen schob ihn jedes Mal fort, sobald er in seiner Aufdringlichkeit gegen sie rempelte. Immer wieder brachte er sein Gesicht in ihr Blickfeld und schaute grinsend zu ihr hoch.
»Das sind prächtige Amulette, junge Dame. Sie werden Euch Glück bringen.«
»Nein, hab ich gesagt.« Sie versetzte ihm einen derben Stoß. »Laßt mich jetzt endlich in Frieden!«
Jennsen atmete erleichtert auf, als ihnen ein älterer Mann entgegenkam und der Straßenhändler sich ihm zuwandte. Sie hörte noch, wie seine Stimme hinter ihr verklang, als er dem Mann ein Amulett für einen Silberpfennig anzudrehen versuchte. Welche Ironie, überlegte sie, daß dieser Mann ihr Magie anbot und sie sie ablehnte, weil sie es eilig hatte, sich Magie von jemand anderem zu beschaffen.
Unmittelbar hinter einem ungenutzten Stellplatz blieb Jennsen abrupt vor einem Tisch mit Weinfässern stehen. Sie hob den Blick und sah die drei Brüder vor sich. Einer von ihnen war gerade damit beschäftigt, einem Kunden Wein in seinen Lederkelch zu füllen, während die beiden anderen ein volles Faß von der Ladefläche ihres Wagens herunterhoben.
Jennsen drehte sich um und starrte auf den leeren Stellplatz, wo Irma ihren Stand gehabt hatte. Ihr Herz schien bis zum Hals zu schlagen. Irma hatte ihre Pferde. Und sie hatte Betty.
In einem Anfall von Panik packte sie den Arm des Mannes hinter dem Tresen, nachdem der Kunde weitergegangen war.
»Bitte, könnt Ihr mir sagen, wo Irma ist?«
Er sah auf und schaute blinzelnd in die Sonne. »Die Wurstverkäuferin?«
Jennsen nickte. »Ja. Wo steckt sie? Sie kann doch unmöglich schon fort sein, sie mußte doch erst ihre Würstchen verkaufen.«
Der Mann grinste. »Sie meinte, daß sie den Stand gleich neben unserem hatte, wo wir unseren Wein verkaufen, hätte ihr geholfen, ihre Würstchen so schnell loszuschlagen wie noch nie zuvor.«
Jennsen konnte ihn nur fassungslos anstarren. »Sie ist fort?«
»Eigentlich schade. Der Wurststand gleich nebenan hat sich überaus günstig auf den Weinverkauf ausgewirkt. Erst haben die Leute ihre scharfen Ziegenwürstchen gegessen, anschließend brauchten sie unbedingt einen Schluck von unserem Wein.«
»Ihre was?«
Das Lächeln des Mannes erlosch. »Ihre Würstchen. Was ist los mit Euch, Ma’am? Ihr seht aus, als hätte Euch soeben ein böser Geist aus der Unterwelt auf die Schulter getippt.«
»Was habt Ihr gesagt, verkauft sie? … Ziegenwürstchen?«
Er nickte, einen besorgten Ausdruck im Gesicht. »Unter anderem, ja. Probiert hab ich sie alle, aber die deftigen Ziegenwürstchen fand ich am besten.« Er deutete mit dem Daumen über die Schulter auf seine beiden Brüder. »Joe mag die Rindswürstchen am liebsten, und Clayton, nun ja, der steht mehr auf Schweinefleisch, aber mir haben ihre Ziegenwürstchen am besten geschmeckt.«
Jennsen zitterte am ganzen Körper, und das nicht etwa wegen der Kälte. »Wo ist sie? Ich muß sie unbedingt finden!«
Er kratzte sich seinen zerzausten blonden Haarschopf. »Tut mir leid, aber das weiß ich nicht. Sie kommt oft her, um ihre Würstchen zu verkaufen; die meisten hier haben sie auch früher schon gesehen. Sie ist freundlich, lächelt immer und hat für jeden ein nettes Wort übrig.«
»Aber sie hat meine Tiere, meine Pferde. Und Betty.«
»Betty?«
»Meine Ziege. Sie hat sie in Verwahrung genommen. Wir haben ihr Geld gegeben, damit sie auf sie aufpaßt, bis wir zurück sind.«
»Oh.« Es schien ihn zu bedrücken, daß er keine besseren Neuigkeiten für sie hatte. »Das tut mir leid. Ihre Würstchen gingen so ziemlich nacheinander weg, bis sie ausverkauft waren. Normalerweise braucht sie den ganzen Tag, um ihren Vorrat zu verkaufen, aber manchmal läuft es einfach besser, schätze ich. Nachdem ihre Würstchen weg waren, hat sie noch eine ganze Weile hier gesessen und mit uns geplaudert. Irgendwann meinte sie dann schweren Herzens, jetzt müsse sie aber zurück nach Hause.«
Jennsens Gedanken rasten, und sie wußte nicht, was sie tun sollte. Noch nie hatte sie sich so allein gefühlt.
»Bitte«, sagte sie mit tränenerstickter Stimme, »könnte ich mir
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