Die Säulen des Feuers
und mit Jubal fertig war und durch Jubal mit den Faktionen? Es gab unzählige Weisen, auf die man sterben konnte. Ein oder zwei hatte er selbst erfunden. Tempus anzulügen versprach Schlimmeres. Pflichtvergessenheit, Fahnenflucht – Hochverrat.
Er spürte einen Stich grauenvollster Angst. Er wußte, daß er den Ring von sich werfen, zu Tempus gehen und ihm alles gestehen sollte. Doch das war nicht seine Art – noch nie hatte er um Hilfe gefleht, nie hatte er sich irgend jemandem vor die Füße geworfen, nein, nie in seinem Leben. Man brauchte Mut, Dinge in Ordnung zu bringen. Es gehörte Mumm dazu, an einer Situation festzuhalten, wenn sie schon lange nicht mehr sicher war.
Er war kein Junge mehr, nicht mehr fünfundzwanzig in glänzender Rüstung und den Kopf voll Heldenwahn. Ein Jahrzehnt lang hatte er die finstere Arbeit der Stiefsöhne gemacht; hatte nie daran denken müssen, daß sogar Tempus einen Fehler begehen könnte. Tempus, der Gotterwählte – aber auch Götter hatten ihre eigenen selbstsüchtigen Interessen, wie alle Kreaturen. Götter könnten einen Mann hereinlegen – ein Reich hereinlegen, ihre Spielchen mit Seelen treiben, mit einem Mann, der seine Schuldigkeit getan hatte.
Tempus konnte sich täuschen. Ihr Götter, er könnte etwas Falsches tun. Er mag diese Stadt nicht. Ich schon. Ich kann sie ihm geben. Ist das Hochverrat?
Ein Reich lebt von dem, was funktioniert, nicht wahr?
Ich muß leben, um es zum Funktionieren zu bringen. Muß es Crit beweisen. Tempus beweisen. Und wenn ich mich ihnen dazu fernhalten muß, bis ich es organisiert habe. Ich kenne Verstecke, von denen Crit keine Ahnung hat.
Verdammt, NEIN! Sie fallen über SIE her!
Er umklammerte den Ring in seiner Tasche, spürte einen Stich, der ihm den Blick verschleierte und ihn erinnerte, daß sich die Stiefsöhne da auf viel mehr einließen, als sie glaubten, wenn sie gegen Ischade vorgingen. Viele würden sterben, es hätte verheerende Folgen für beide Seiten. Da entschied er sich.
Die Sonne glomm rot durch den Nebel in Freistatts Osten, als Ischade zu dem kleinen Geschäft im Basar kam. Sie hatte einen langen Streifzug durch Freistatt hinter sich und einen Toten in einer schäbigen, schmutzigen Kammer im Labyrinth zurückgelassen. Kaum jemand würde diesem Mann nachweinen, und sie war nun noch gereizter, kam sich durch ihn beschmutzt vor. So stark war die Luft in Freistatt geladen, daß das Schwinden von Macht durch seinen Tod ihr keinen Augenblick der Erleichterung von dem verschaffte, was durch ihre Adern rann, ihre Augen blutunterlaufen machte, und diesen Mann im letzten Moment seines Lebens wünschen ließ, es hätte ihn nie gegeben.
Nicht die geringste Befriedigung hatte es ihr verschafft, nur die schreckliche Furcht, daß nichts je genug sein würde, diese Macht zu beruhigen, die drohte, sich in dem grollenden Sturm und in ihrem Innern auszutoben. Sie machte sich blind, denn sie sah zuviel von der Hölle und nicht genug von dem Weg, den sie nahm. Würde jetzt eine Bande von Freistatts schlimmsten Halunken ihre Augen sehen, sie würde wie vom Blitz getroffen stehenbleiben, um dann vor Grauen davonzuschleichen. Sie war bekannt geworden. Sie kam nicht mehr so leicht an Opfer heran. Nur Narren näherten sich ihr. Und sie leisteten keinen Widerstand und wußten, wohin es führte.
Tasfalen. Tasfalen. Sie klammerte sich an diesen Namen und an diese Erwartung wie an die Vernunft selbst. Er war ein Opfer, das Gefahr und Schwierigkeit versprach.
Ihn könnte sie genießen, über Tage hinaus, könnte es verzögern und eine Woche lang ausdehnen …
Vielleicht verstand Strat es, vielleicht gelang es ihr, es ihm verständlich zu machen.
Vielleicht gelang es ihr – doch noch –, diesen Panzer des Unglaubens zu durchdringen, in den Straton sich hüllte; ihn die Dinge zu lehren, die er wissen mußte. Er war dazu bereit. Seine Verliebtheit reichte aus. Daß ihr Hunger ihn bedrohte, das – alles war unerträglich.
Es war Schwäche. Und sie hatte Roxane noch nicht aufgespürt. Sie hatte die ganze Stadt durchkämmt, ohne sie zu entdecken. Daß dieser einfältige Dämon sie nicht gefunden hatte, daß sie selbst auf nichts gestoßen war, was darauf hinweisen könnte, daß Roxane nicht vernichtet war – nicht einmal das half ihr, sich in ihrer gegenwärtigen Schwäche sicher zu fühlen. Es war genau der Zeitpunkt, in dem die Nisi gegen sie vorgehen – durch Strat zuschlagen würde, durch diesen Fremden Tasfalen, durch irgend etwas,
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