Die Säulen des Feuers
beigebracht habe, dann wird die Herrin sehr zufrieden mit dir sein. Ruiniere dein Aussehen nicht. Lächle. Lächle jeden an, aber lächle nicht zuviel. Diese Männer waren schon lange nicht mehr in einem Haus wie diesem. Fordere sie nicht heraus. Benimm dich wie eine Lady. So ist es gut, Schatz.« Er küßte sie auf die Stirn und folgte ihrem plötzlich panikerfüllten Blick zur Schwelle des Studiergemachs.
Stilcho lehnte dort. Er roch nach Wein; sein schmales, weißes Gesicht wirkte ungewohnt grimmig mit der Augenklappe und der Strähne dunklen Haares. »Meine Lady«, sagte Stilcho schwer. »Tut mir leid, daß ich Euch erschreckt habe.«
Moria starrte ihn nur entsetzt an.
»Komm«, sagte Haught. Er faßte Stilcho am Arm und ging mit ihm zur Tür.
»Ich kann ihn nicht finden«, meldete Crit im Statthalterpalast, wo sich Tempus ein Büro organisiert hatte. Es lag einen Gang und eine Treppe entfernt vom Hauptteil des Gebäudes und dem Treiben dort, von dem Crit lieber gar nichts wissen wollte.
Tempus zeichnete etwas auf einer Karte an. Schriftrollen, Bücher und Karten lagen herum, nicht nur auf dem Schreibtisch, sondern auch auf dem Boden. Das trübe Nachmittagslicht drang durch das Fenster, der Himmel war wolkenüberzogen, doch es fiel kein Regen, obgleich Donnergrollen ihn schon lange ankündigte. Tempus erhob sich und blickte, die Hände am Rücken verschränkt, hinauf zu den finsteren Wolken. Ein Blitz zerriß sie und erneut donnerte es.
»Er wird schon wieder auftauchen«, sagte Tempus schließlich. »Hast du nochmals beim Hexenhaus nachgesehen?«
»Zweimal, ich …« Tempus drehte sich zu ihm um, als er nicht weitersprach. »Ich bin zur Tür gegangen.« Hätte er Höllentor gesagt, wäre sein Ton nicht anders gewesen. Er bemühte sich um ein unbewegtes Gesicht. Tempus runzelte die Stirn.
»König von Korphos«, bemerkte Crit.
»Ich erinnere mich.« Ein König lud seine Feinde zur Versöhnung ein. Während des Festmahls erschossen Bogenschützen alle. Hexenfeuer wären vielleicht wirksam. Und: Nichts Neues unter der Sonne, sagte eine innere Stimme; während ihn eine andere an tote Kameraden erinnerte: gequälte Seelen Eurer und meiner Leute, die erlöst werden müssen … Manchmal drehte sich die Welt schwindelerregend, glitt zwischen Vergangenheit und Gegenwart hin und her. Korphos und ein Freistätter Herrenhaus. Ein vermißter Stiefsohn und ein schwerverwundeter, beide Opfer von Hexen. Etwas, das geschehen war, geschehen würde, geschah es unvermeidlich? Manchmal war er Risiken eingegangen, lediglich aus Zweckdienlichkeit. Oder aus Eigensinn. Seine Männer zog er nicht mit hinein, wenn es nicht nötig war.
Crit stand da wie eine Statue. Zu verdammt bereitwillig. Eine Schlange hatte sich in ihrer Mitte eingenistet, Stiefsohn jagte Stiefsohn und stand da mit diesem Blick, der sagte: Ich tue alles, was Ihr befehlt.
»Wenn er nicht von selbst erscheint, wird die Hexe ihn zweifellos finden können«, sagte Tempus. »Mach dir keine Sorgen.« Er deutete zur Tür. Crit verstand, und Tempus begleitete ihn bis zum Gang. »Hauptsache, du bist pünktlich da.«
»Wie geht es Niko …«
»Besser.«
Der Ton lud zu keinen weiteren Fragen ein. Crit ging. Tempus schob die Hände auf dem Rücken durch den Gürtel und blieb stehen, bis Crit die Marmortreppe zum Ausgang hinunterstieg.
Niko war, wo er nichts zu suchen hatte.
Tempus klatschte eine Hand auf den Schenkel und stieg eine andere Treppe hinunter, vorbei an Priestern, die sich mit ihren Armvoll Linnen und was immer an die Wand drückten.
Durch zahllose Türen ging er, bis der Donner kaum noch zu hören war, und sich die letzte Tür zu einem Sanctum Sanctorum tief unter dem Palast öffnete. Er trat hindurch, sah die Schar um das Bett: sechs Priester und der Magier und Weihrauch schier zum Ersticken. Ein Kind wimmerte, es war ein dünner, schwacher Laut. Tempus sah seinen Partner in dieser Schar stehen. »Holt Niko«, sagte er, als ein Priester an ihm vorbei wollte. Der Mann betrat gehorsam, wenngleich mit großer Überwindung, die Krankenstube. Die dicke Luft verursachte Tempus Kopfschmerzen. Seine Schläfen hämmerten, vielleicht aus Wut über Niko, über die ganze verdammte Sache mit den Priestern hier und dem Mummenschanz und dem übelriechenden Gebräu des Magiers; oder vielleicht, weil die Welt aus den Fugen geraten war. Er stand da, während der Priester Niko am Arm faßte und zu ihm führte. Und Niko schleppte sich heran, eines seiner Augen lief und
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