Die Saga vom Dunkelelf 5 - In Acht und Bann
denselben Weg wieder zurück und stieg auf die Bäume, um dann in eine ganz andere Richtung zu verschwinden. Er traf auf einige Bergflüsse, die für die anderen die Fährtensuche erschwerten, aber Drizzts Verfolger waren keine Anfänger, und Roddys Hund war einer der besten Jagdhunde, die je gezüchtet worden waren. Die Truppe blieb nicht nur auf Drizzts Fährte, sondern kam auch so flott voran, dass die Distanz geringer wurde.
Drizzt glaubte immer noch, dass er sie abhängen konnte, aber als sie ihm immer näher kamen, musste der Drow umdenken. Er hatte diese Verfolgung mit einem Hund nicht verdient, im Gegenteil, er hatte ja sogar den Tod der Bauernfamilie gerächt. Und obwohl Drizzt wutentbrannt gelobt hatte, dass er niemanden mehr in Gefahr bringen wollte, war ihm die Einsamkeit doch während der letzten Jahre der engste Gefährte gewesen. Er konnte nicht anders, er musste einen Blick über die Schulter werfen – nicht aus Angst. Seine Sehnsucht nach Kameradschaft ließ nicht nach.
Schließlich konnte Drizzt nicht leugnen, dass seine Verfolger ihn neugierig machten. Diese Neugier, das erkannte Drizzt, als er in einer dunklen Nacht die Personen am Lagerfeuer beobachtete, konnte ihm zum Verhängnis werden. Aber diese Erkenntnis kam für den Dunkelelf zu spät, er konnte nichts mehr daran ändern. Seine Bedürfnisse hatten ihn so weit getrieben, und jetzt war das Lager seiner Verfolger gerade noch zwanzig Meter entfernt.
Das Geplänkel zwischen Taube, Fret und Gabriel rührte Drizzt zu Tränen, obwohl er ihre Worte nicht verstehen konnte. Doch das Bedürfnis, sich dem Lager ganz zu nähern, wurde jedesmal abgeschwächt, wenn Roddy und sein heißblütiger Hund an dem Feuer vorbeizogen. Diese beiden würden sich nicht aufhalten lassen, um ihm zuzuhören, das wusste Drizzt.
Die Gruppe hatte zwei Wachen postiert, einen Elf und einen großen Menschen. Drizzt war an dem Menschen vorbeigeschlichen, weil er davon ausging, dass der Mann in der Dunkelheit nicht so gut wie der Elf sehen konnte. Doch jetzt lief der Dunkelelf um das Lager herum, in die andere Richtung, und hielt auf die Elf wache zu. Wieder verstieß er gegen seine eigenen Vorsichtsmaßnahmen.
Drizzt war bis jetzt erst ein einziges Mal seinen Verwandten auf der Oberflächenwelt begegnet. Das hatte sich als katastrophales Zusammentreffen erwiesen. Die Räuberbande, als deren Späher Drizzt fungiert hatte, hatte alle Oberflächenelfen hingemetzelt, mit Ausnahme eines Elfenmädchens. Es war Drizzt gerade noch gelungen, das Kind zu verstecken. Diese gräßlichen Erinnerungen ließen den Dunkelelf nicht in Ruhe, und deshalb wollte er noch einmal einen Elf sehen, einen, der lebte und vital war.
Kellendil fiel zum erstenmal auf, dass jemand in der Nähe war, als ein kleiner Dolch an seinem Brustkorb vorbeiflog und seine Bogenschnur sauber durchtrennte. Der Elf wirbelte auf dem Absatz herum und blickte in die lavendelfarbenen Augen des Drow. Drizzt stand nur wenige Schritte entfernt.
Kellendils rotleuchtende Augen zeigten, dass er Drizzt im infraroten Spektrum sah. Der Dunkelelf verschränkte die Arme auf der Brust, was im Unterreich ein Zeichen für Frieden war.
»So begegnen wir uns also doch noch, mein dunkler Cousin«, flüsterte Kellendil unfreundlich in der Drowsprache. Der Tonfall seiner Stimme verriet, dass er wütend war. Seine glühenden Augen verwandelten sich in gefährlich wirkende Schlitze. So schnell wie eine Katze riß Kellendil ein hervorragend geschmiedetes Schwert, dessen Klinge feurigrot glänzte, von seinem Gürtel.
Drizzt war überrascht und erfreut, als er hörte, dass der Elf seine Sprache sprechen konnte und nicht so laut geredet hatte, dass die anderen auf ihn aufmerksam wurden. Das stimmte ihn hoffnungsvoll. Der Oberflächenelf war ungefähr von Drizzts Statur, und seine Gesichtszüge waren ebenso ausgeprägt wie die des Dunkelelfs, aber seine Augen waren schmaler und sein goldenes Haar nicht so dick und lang wie Drizzts weiße Mähne.
»Ich bin Drizzt Do'Urden«, erklärte er zögernd.
»Mir ist ganz egal, wie Ihr heißt!« schoß Kellendil zurück. »Ihr seid ein Dunkelelf. Mehr brauche ich nicht zu wissen! Na, dann mal los, Drow. Kommt, laßt uns sehen, wer von uns beiden der Stärkere ist!«
Drizzt hatte seine Waffe noch nicht herausgezogen und hatte auch nicht vor, es zu tun. »Ich habe nicht den Wunsch, mich mit Euch zu messen…« Drizzts Stimme versagte, als er erkannte, dass seine Worte an dem intensiven Haß des
Weitere Kostenlose Bücher