Die Saga vom Eisvolk 01 - Der Zauberbund
kleine Sol nicht aufwecken. Und ich muss morgen früh aufstehen. Es ist vielleicht das Beste, wenn wir dann unser Gespräch fortsetzen.«
»Und dann sagte ich mir, dass Silje einem armen alten Mann sicher Barmherzigkeit erweist.«
Seine Hand bewegte sich auf das Fell zu, wollte darunterschlüpfen. Da rutschte er jedoch mit dem Bein aus und landete auf dem Boden. Silje war es äußerst unbehaglich zumute, aber nun witterte sie eine Chance, die Situation zu retten. Sie sprang aus dem Bett und führte den stolzen Mann zur Tür. Die Mütze war ihm heruntergerutscht und hing auf dem einen Ohr.
»Vergesst nicht, dass wir das Gespräch morgen fortsetzen müssen, Herr Benedikt! Denn wenn jemand sieht, dass Ihr mich so spät besucht habt, dann könnten sie auf dumme Gedanken kommen, nicht wahr? Und ich möchte nur ungern meinen Ruf aufs Spiel setzen. Auch nicht Euretwegen.«
Benedikt kicherte heiter. Er war eine gutmütige und freundliche Menschenseele, wenn er getrunken hatte. Anstandslos ließ er sich hinausführen, und mit einem Knall schloss Silje die Tür hinter ihm.
Schockiert blieb sie an die Tür gelehnt stehen, bis sein Plappern sich in der Ferne verlor. Sie legte sich nicht eher wieder schlafen, bis sie seine Tür ins Schloss fallen hörte.
Am nächsten Tag hatte er zum Glück alles so vollständig vergessen, dass er wie ein Wilder über die Fußspuren im Schnee vor seiner Treppe polterte. Grete versicherte ihm, dass es seine eigenen Fußabdrücke seien.
»Ja, ja, dann hatte ich draußen wohl etwas zu erledigen«, murmelte er. »Das ist eben der Nachteil, wenn man sich ein Glas genehmigt. Das muss auf Tod und Teufel wieder raus – zu den unpassendsten Zeiten.«
Silje atmete erleichtert auf.
6. Kapitel
Der Winter bereitete der Pest ein Ende. Sie brauchte zum Gedeihen Wärme, Feuchtigkeit und Fäulnis. Man hörte noch von Einzelfällen, doch dann verschwand sie wie ein Blatt im Wind.
Die Berge hinter dem Hof übten eine seltsame, kitzelnde Macht auf Silje aus, so wie sie es immer getan hatten, Angst war jedoch nicht mehr das dominante Gefühl. Ohne dass sie es wusste, verband sie die Berge mit einer bestimmten Person, und als sie zu ihnen hinaufsah, scheu und schuldbewusst, fuhr sie sich mit der Zunge über die Lippen, während ihr Herz rasend und erregt pochte.
Sie hatte gewiss nicht mehr seltsame Träume als andere Menschen – und in der Regel vergaß sie sie auch beim Erwachen. Aber noch einmal hatte sie solch einen verbotenen Traum wie den von den Geistern aus den Bergen. Dieser war zwar anders – jedoch genauso schamlos wie der vorige. Und sie blieb genauso ohnmächtig liegen wie beim letzten Mal.
An den Anfang konnte sie sich nicht erinnern. Nur, dass sie zwischen bewaffneten Kriegsknechten und dem Landvogt gefangen dastand. Der Büttel und seine Männer waren ebenfalls dort. Sie war angeklagt, sie wusste nicht, weshalb, und alle waren zornig auf sie. Um ihrem Hass zu entgehen, tat sie das Einzige, was ihr in ihrer Verzweiflung einfiel: Sie begann sich auszuziehen, Stück für Stück. Ihre Widersacher senkten die Waffen und starrten Silje an – erwartungsvoll, mit verzerrten, verschwitzten Gesichtern. Doch der Vogt sagte: »Das nützt dir nichts, du wirst trotzdem sterben!«
Aber im selben Augenblick wurden die Männer zur Seite geschoben, und da stand der Mann im Wolfspelz. Sein Haar ähnelte zottigem Fell, und ein Hirschgeweih ragte daraus hervor. Sein Gesicht verriet seine Gelüste, auch wenn er sein Verlangen zu verbergen suchte, indem er sich halbwegs abwandte. Doch dann drehte er sich langsam zu der nackten Silje um und führte sie an der Hand einen Hügel hinauf. Und während alle sie beobachten konnten, strich er mit den Händen über ihren Körper. Alles, was sie sich jetzt noch wünschte, war, dass er den Wolfspelz ausziehen möge.
Er wandte sie jedoch um und stellte sich hinter sie, so wie der Teufel an der Kirchenwand. Und vor aller Augen legte er seine Hände auf ihre Brüste. Die Gewissheit darüber, dass alle es sahen, erfüllte sie mit einer dumpfen, schweren Erregung. Denn auf die eine oder andere Weise
wusste
sie, dass dies ein Traum war – und da konnte sie frei sein, sie selbst sein.
Seine lange, harte Zunge kam gleitend, leckte ihren Hals, das Halsgrübchen, die Wangen... Wieder drehte er sie um und fiel vor ihr auf die Knie, ließ die Zunge den Schenkeln folgen, bis sich etwas Warmes und Feuchtes zwischen ihnen ausbreitete...
Silje erwachte davon, dass sie mit
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