Die Saga vom Eisvolk 01 - Der Zauberbund
dem Anführer der Rebellen. Ein einziges gedankenloses Wort, und er würde in eine der Fallen des Landvogts tappen. Er sollte gleichsam nicht existieren. Und das hatte sie vergessen. Kein Wunder, dass Heming böse war!
»War er bei dir drinnen?«, flüsterte er inkonsequent da er eben noch die Existenz des Mannes geleugnet hatte.
»Natürlich!«
Heming machte rasch eine nachlässige Handbewegung, die das Zeichen des Kreuzes darstellen sollte. »Du bist verrückt! Verrückt! Hattest du Salz und Brot ausgestreut?«
»Warum denn das?«
»Streu Salz! Das hilft. Salz und Brot. Und das kleine Mädchen... du bist vollkommen verrückt, wie konntest du nur? Hast du das Kreuzzeichen über ihr gemacht? Oder hast du eine Silbermünze mit einem Kreuz draufgelegt?«
Silje erstarrten die Gesichtszüge. »Marie, eine der Frauen auf dem Hof, hat eine solche Silbermünze unter den einen Bettpfosten von Sols Bett gesteckt.«
Er sank erleichtert in sich zusammen. »Gott sei Dank, dann ist es noch einmal gut gegangen. Und der Säugling, wie geht es dem?«
Wie freundlich von ihm, Interesse für die Kleinen zu zeigen! Silje konnte ihren Blick nicht von seinem wohlgeformten Gesicht abwenden.
Jubilierende Freude erfüllte sie bei dem Anblick von etwas so Schönem, etwas so Vollkommenem.
»Dem kleinen Dag geht es gut, danke der Nachfrage.
Allzu gut, Crete verhätschelt ihn und stopft ihn mit Essen voll. Ich darf ihn kaum sehen.«
»Du hast doch gut Acht gegeben auf die Sachen, in die er eingewickelt war?«
»Oh ja, das sagte...« Nein, es war ihr nicht gestattet, Dyre Alvssohn zu erwähnen.
»Bist du sicher, dass sie dir niemand wegnehmen kann? Sie sind kostbar, weißt du.«
»Nein, niemand kann sie wegnehmen.«
»Du hast sie also gut versteckt?«
»Ja, in einer Kiste unter meinem Bett.«
»Ich hoffe nur, das ist sicher genug. Silje, ich muss gehen. Hab tausend Dank für das Essen. Sehe ich dich wieder?«
Sie wurde vor Freude rot. »Wenn Ihr wollt.«
Sie erhoben sich, er streckte die Hand aus und hob ihr Kinn. Er stand dicht bei ihr.
»Weiß du, dass du sehr süß bist, Silje?«
Sie schlug die Augen nieder und schüttelte den Kopf. Das Blut hämmerte in ihren Ohren und strömte ihr ins Gesicht.
»Aber das bist du. Darf ich... dich besuchen kommen?«
Silje sah erschrocken auf.
»In allen Ehren, selbstverständlich«, lächelte er. »Ich will nur die Erlaubnis, mich mit dir zu unterhalten. Du bist so klug.«
Wie sehr sie es auch versuchte, sie konnte sich nicht erinnern, bis dahin etwas Intelligentes gesagt zu haben. Ein reichlich verschreckter Ausruf, das war alles.
»Aber ich kann nicht länger bleiben. Wir werden gejagt und müssen uns verstecken. Es ist ein einsames Leben, das kannst du glauben! Aber sobald die Knechte an einen anderen Ort ziehen, komme ich.«
Die Hand unter ihrem Kinn fühlte sich fremd an, ungewohnt. Nie hatte ein Mann Silje auf diese Weise berührt. Vergewaltigungsversuchen war sie mehr als einmal ausgesetzt gewesen, doch da hatte sie so unbedingt ihre Tugend verteidigen wollen, bis der Richtige kam, dass sie brutal wurde. Und bisher war sie zurechtgekommen.
Allerdings fühlte sich Hemings Hand nicht so brennend heiß an wie die eines anderen an ihrem Fuß. Eine behutsame, starke Hand, die jedoch etwas ganz anderes wollte, die heilen wollte...
Oh, warum musste sie
jetzt
an den anderen Mann denken? Heming war derjenige, der sie berührte, der sie mit seinen schönen blauen Augen anschaute und dabei wehmütig, fast betrübt lächelte. Armer junger Bursche, der ein so unglückliches Leben auf der Flucht führen musste!
»Selbstverständlich könnt Ihr mich bei Benedikt besuchen«, sagte sie unsicher. »Ich werde dafür sorgen, dass Ihr dort einen Götterschmaus bekommt.«
»Nein, nein«, flüsterte er. »Niemand darf das wissen. Man kann nie wissen, wo die Verräter sich gerade aufhalten.«
Benedikt rief von unten herauf, und sie gingen hinunter.
»Hattest du vor, dich da oben häuslich niederzulassen, Silje?«, fragte der Maler und bedachte sie mit einem prüfenden Blick.
»Du siehst aus wie eine Katze, die gerade eine Ratte verspeist hat«, sagte er verärgert.
Silje schnappte angestrengt nach Luft. »Nun seid Ihr aber garstig, Herr Benedikt.«
Die beiden Männer verließen die Kirche, und sie begannen erneut zu malen.
»Du hast viele gute Seiten, Silje«, sagte Benedikt zu ihr, »aber von Humor ist bei dir anscheinend keine Spur.«
Sie dachte nach. »Da könnt Ihr Recht haben«, gab
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