Die Saga vom Eisvolk 02 - Hexenjagd
Weibsperson auf Benedikts Hof, eine entfernte Verwandte mit ihren Kindern. Und Abelone, wie sie heißt, wollte uns dort nicht haben, denn sie hatte Angst, ihr Erbteil an uns zu verlieren. Deshalb hat sie mich beim Vogt angezeigt und gesagt, daß ich zusammen mit Tengel vom Eisvolk gesehen worden sei und deshalb als Hexe auf dem Scheiterhaufen verbrannt werden müsse.«
»Oh wie schrecklich!« piepste Charlotte.
»Ja. Aber Tengel kam rechtzeitig und brachte uns hinauf ins Gebirge, in das abgeschiedene Tal des Eisvolks. Und dort haben wir die ganzen letzten Jahre verbracht.«
»Oben im Gebirge? Das ganze Jahr über?«
»Ja. Es war sehr, sehr schwer, aber wir haben Glück gehabt. Tengel und ich haben geheiratet, und wir haben unsere kleine Tochter Liv bekommen.«
»Ihr habt Euch mit einem Menschentier verheiratet?«
»Ja. Und ich habe niemals den geringsten Grund gehabt, das zu bereuen.«
»Aber… Ich habe Gerüchte darüber gehört, daß derjenige, der sich den Wohnorten des Eisvolks nähert, dem Tode geweiht ist?«
Silje lächelte wehmütig. »Die Angehörigen des Eisvolks sind gewöhnliche, unglückliche Menschen. Aber ich weiß, daß sie im Sommer Wachen aufstellen - denn sie wollen in Frieden in ihrem Tal leben. Ich weiß also nicht, was sie mit denen machen, die ihnen zu nahe kommen.«
»Und jetzt? Was ist jetzt geschehen?«
Silje seufzte. »Heming ist wieder eingefangen worden. Er gehörte dem Eisvolk an und war Mitglied einer Gruppe von Aufständischen. Er war es übrigens, der Euch erpressen wollte, Fräulein Charlotte.«
»Ja, von den Aufständischen haben wir gehört«, sagte ihre Mutter. »Ist es zu begreifen, warum jemand sich gegen uns Dänen auflehnen will? Pack! Die wissen gar nicht, wie gut sie es haben!«
Silje antwortete nicht darauf. Dies war nicht die Zeit für politische Diskussionen.
»Nun, um sein Leben zu retten, verriet Heming die ganze Gruppe der Aufständischen und zeigte den Weg zum Tal des Eisvolks. Und diese Woche sind die Schergen gekommen und haben alle Höfe in Flammen aufgehen lassen. Und das ganze Eisvolk getötet, außer uns. Wir konnten über das Gebirge fliehen. Aber jetzt haben wir nichts mehr.«
Die Zuhörerinnen schwiegen.
»Und was noch schlimmer ist, er hat Benedikt auch mit hineingezogen. Hat ihn als Mitglied der Aufständischen angezeigt.«
»War er es denn?«
»Ach nein, er ist ein harmloser alter Mann. Aber Abelone hat die Gelegenheit genutzt und dafür gesorgt, daß man ihn in Trondheim ins Gefängnis geworfen hat. Und Grete und Marie hat sie vor die Tür gesetzt, sie müssen jetzt mühsam ihr Leben als Bettelmägde fristen. Die liebenswürdigen alten Damen.«
Silje kämpfte mit den Tränen.
Dann sammelte sie sich. »Das war im wesentlichen meine Geschichte. Ich selbst bin die Tochter eines Hufschmieds, der auf einem Gutshof südlich von Trondheim gearbeitet. hat. Alle meine Angehörigen sind an der Pest gestorben, ich bin also ganz allein.«
Charlotte sagte still: »Dieser Tengel - das Menschentier, wie Ihr ihn genannt habt - ist er ein Zauberer?«
Silje zögerte. »Ja. Aber er benutzt seine Kräfte nur für gute Zwecke.«
»Könnte nicht D… das Kind Schaden daran genommen haben, daß es mit ihm zusammen war?«
»Schaden?« brach es aus Silje heraus. »Einen edleren Mann findet Ihr in ganz Norwegen nicht! Aber Ihr müßt verstehen… ihm und der kleinen Sol, die seine Nichte ist, kann man ansehen, daß sie Nachkommen des bösen Tengel sind. Sie können sich also nirgendwo zeigen, sonst würde man sie gefangennehmen und töten.
Unverzüglich.«
»Ihr könnt also nicht in einer der Siedlungen wohnen oder in der Stadt?«
»Nein. Und unser Zuhause im Tal gibt es nicht mehr.«
Wieder mußte sie gegen das Weinen ankämpfen.
»Schhht«, machte die Baronin und streichelte ihr über die Schulter. »Ich habe eine Idee, wie wir das Problem lösen könnten. Und wenn ich das selbst sagen darf, dann ist das eine ausgezeichnete Idee.«
»Was denn, Mutter?« sagte Charlotte.
»Ich muß es erst noch durchdenken. Ihr habt mich um Hilfe gebeten - und das Vertrauen, das ihr mir entgegengebracht habt, möchte ich nicht enttäuschen.
Der Adel mag sicherlich oberflächlich und überheblich scheinen, Silje, aber wir sind in der Kunst geschult, mit andere Menschen umzugehen, wir haben eine gute Ausbildung, und wir haben ein Herz. Ist diese Waldhütte weit entfernt von Trondheim?«
Silje erzählte ihr, wo sie stand.
»Es ist zu weit, als daß wir sie heute
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