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Die Saga vom Eisvolk 02 - Hexenjagd

Die Saga vom Eisvolk 02 - Hexenjagd

Titel: Die Saga vom Eisvolk 02 - Hexenjagd Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Margit Sandemo
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gewesen war, die Hebamme zu rufen, die darauf vorbereitet war, Silje bei ihrer Niederkunft beizustehen.
    Mit einem Satz war Tengel vom Pferd und an der Tür. Im Korridor stieß er auf die Hebamme, die ihn in seinem rasenden Lauf aufhielt. Sie versuchte gerade, heimlich ein paar widerlich dunkelrote Laken in einer Ecke verschwinden zu lassen. Tengel schluckte, stürzte auf das Schlafzimmer zu, riß die Tür auf und…
    Zum ersten Mal in seinem Leben spürte er, was es für ein Gefühl sein muß, das Bewußtsein zu verlieren.
    Undeutlich konnte er ein paar Einzelheiten erkennen: Einen grobschlächtigen Feldscher, der wohl die meisten der Schlachtfelder in Europa kannte, aber auch schon einigen Kindern ans Licht der Welt verhelfen hatte. Und eine Frau, die Charlotte sein mußte, aber er konnte sie nicht richtig sehen. Blut. Überall Blut. Ein Bündel in der Ecke, das mit dünner, spitzer Stimme wütend vor sich hin quäkte.
    Und auf den Kissen Siljes weißes, lebloses Gesicht.
    Sein tiefes Aufschluchzen hatte etwas Urtümliches an sich. Auf einmal war er wieder das Menschentier, das nichts anderes wahrnahm, als daß er seine Frau verlor, seinen Lebensinhalt und seine einzige Freude.
    »Silje!« schrie er.
    Er sank an ihrem Bett auf die Knie. Er preßte ihre schlaffe Hand an seine Wange und sah, wie sie naß wurde von seinen Tränen.
    Die Hebamme war wieder in das Zimmer getreten. »Wir tun unser bestes, Herr Tengel.«
    Er riß sich zusammen und sah zu ihr hoch.
    »Lebt sie noch?« fragte er atemlos.
    »Wir denken, ja«, antwortete der Feldscher.
    Tengel fuhr hoch. »Ich hole meine Medizin. Haltet sie solange am Leben! Um Gottes Willen, haltet sie am Leben! Versucht die Blutung zu stoppen!«
    »Wir werden tun, was wir können«, sagte Charlotte.
    »Aber beeilt Euch!«
    Sie hatte offenbar grenzenloses Vertrauen in seine Heilkunst.
    Draußen vor der Küche stieß er mit Sol zusammen.
    »Du kannst auch das hier nehmen«, sagte sie und gab ihm ihr großes Bündel. »Hanna hat alles beschriftet, du kannst also sehen, was es ist.«
    »Danke, Sol«, sagte er. »Das ist gut.«
    In unglaublich kurzer Zeit war er wieder zurück im Krankenzimmer. Mit zitternden Fingern suchte er heraus, was er brauchte. Der starke Geruch von Schafgarbe, vermischt mit anderen, fremdartigen Düften, verbreitete sich im Zimmer.
    Als der Feldscher sah, was Tengel dort von seinen und Sols Schätzen ausbreitete, pfiff er leise durch die Zähne.
    »Nicht gerade das übliche Zeug«, murmelte er. »Laßt das bloß nicht den Hexenrichter spitzkriegen, sonst ist Holland in Not! Das letzte Mal, daß ich sowas gesehen habe, war am französischen Königshof. Die kostbaren Geheimnisse einer hingerichteten Hexe!«
    Tengel hörte nur mit halbem Ohr hin, er wußte, daß er diesem Mann vertrauen konnte. Er hatte schon seine Anweisungen gegeben, und eine Weile arbeiteten sie alle schweigend, schnell und effektiv. Nur die kläglichen Schreie aus der Ecke unterbrachen die Stille, aber niemand hatte Zeit, darauf zu hören.
    Endlich nahm die Blutung ab.
    »Mehr können wir jetzt nicht tun«, sagte Tengel. »Wir können nur beten, daß es nicht schon zu spät war. Und wenn sie aufwacht, muß sie viel trinken. Kann jemand Wasser abkochen? Dann mache ich einen Kräutertrank für sie. Der wird ihr Blut stärken.« Wenn sie aufwacht…
    Sie mußte aufwachen, sie mußte! Er lauschte auf ihren Atemzug. Doch, er konnte ihn hören! Sie lebte noch. Er legte seine Hände auf ihre Brust und versuchte, auf diese Weise ihr Herz zu stimulieren, mit der ihm eigenen, seltsamen Wärme.
    Charlotte sagte leise: »Wollt Ihr das Kind nicht sehen, Herr Tengel?«
    Er zog eine Grimasse. »Später.«
    Tengel wollte es nicht sehen - das Ungeheuer, das vielleicht seine geliebte Silje umgebracht hatte.
    »Wie ist es vor sich gegangen?« murmelte er, während er unablässig auf Siljes verschlossenes Gesicht starrte.
    Charlotte antwortete ihm. Es lag eine weiche, frauliche Ruhe in ihrer Stimme, die er zuvor noch nie gehört hatte.
    »Die kleine Sol lief zu uns nach Grästensholm. Silje hatte sie geschickt, und sie ließ ausrichten, daß es schrecklich eilig war. Also hat sich meine Mutter der beiden anderen Kinder angenommen, und ich habe einen Boten nach dem Arzt und der Hebamme geschickt und bin selbst hierher geritten. Ich fürchte, daß Sol ein bißchen viel von all dem hier mitbekommen hat, aber wir hatten einfach keine Zeit, um… » »Es ist alles so schrecklich schnell gegangen«, sagte der

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