Die Saga vom Eisvolk 02 - Hexenjagd
und ihm alles gemütlich und behaglich herzurichten. Und, Frau Silje, Ihr solltet eine Haube tragen, es sieht so sündig aus, barhäuptig zu gehen.«
Silje lachte nur und versuchte, sich wieder auf ihre Malerei zu konzentrieren.
»Mein Mann sagt immer, eine faule und schlampige Hausfrau ist das Schlimmste, was es gibt«, fuhr Beate im selben quengelnden Tonfall fort. »Deshalb mühe ich mich ab von morgens bis abends, und trotzdem beklagt er sich.«
Silje konnte sich nicht verkneifen zu sagen: »Mein Mann beklagt sich niemals.«
Die Nachbarin starrte sie an. »Dann muß er ein eigenartiger Mann sein. Ein Mann hat das Recht und die Pflicht, seine Frau und seine Kinder zu züchtigen. So ist das, und so ist es immer gewesen. Etwas anderes ist völlig undenkbar.«
»Also seid Ihr mit Eurem Leben zufrieden?«
»Zufrieden? Selbstverständlich bin ich zufrieden! Ich habe einen Mann bekommen, und ich darf in seinem Haus wohnen. Dafür muß man dankbar sein.«
»Ach ja?« sagte Silje kampflustig. »Sogar, wenn er Euch schlägt?«
In der letzten Woche war Beate blau und grün von den Züchtigungen ihres Mannes gewesen.
»Ein Mann, der seine Frau nicht schlägt, gibt nicht gut acht auf sein Haus, das wißt Ihr sehr wohl, Frau Silje.«
Silje legte den Pinsel aus der Hand. »Nein, denkt nur, das weiß ich nicht! Tengel hat mich noch nie geschlagen, und er hat auch noch nie einen Grund gehabt, es zu tun. Wir können über alles miteinander sprechen, und das ist viel wichtiger als zu beweisen, daß einer Macht über den anderen hat.«
Beate begann langsam zu merken, daß sie sich auf dünnes Eis begeben hatte und einzubrechen drohte, und wechselte das Gesprächthema.
»Aber was macht Ihr da eigentlich? Vertrödelt die Zeit damit, teure Stoffe mit Farbe zu beklecksen!«
»Ach, das mache ich aus reinem Vergnügen, ich will das für unser Schlafzimmer haben«, flunkerte Silje, denn sie wollte auf keinen Fall verraten, daß sie Meister Arngim war. »Ihr seid also schon fertig mit der Tagesarbeit?« fuhr sie fort. »Da habt Ihr aber wirklich viel geschafft!«
Beate, die gerade noch damit geprahlt hatte, wie sehr sie von morgens bis abends schuften mußte, begriff, daß Silje ihr auf die Schliche gekommen war. Sie rauschte hinaus, und Silje hatte endlich wieder Ruhe in ihrem Atelier.
Aber es gelang ihr nicht, sich zu konzentrieren. Durch ihren Kopf geisterten immer noch die Eheprobleme ihrer Nachbarin.
Deshalb war sie froh, als Charlotte bei ihr vorbeischaute.
Aber Silje entdeckte ihren Gast nicht sofort beim Eintreten.
Charlotte stand eine Weile in der Tür und beobachtete Silje, die mit dem Rücken zu ihr stand und auf einer großen, aufgespannten Leinwand Tapetenmuster malte.
Sie murmelte nach jedem Pinselstrich aufgebracht vor sich hin.
Künstlertemperament, dachte Charlotte. Sie konnte nicht wissen, daß es Martin Luther mit seiner Proklamation von der Überlegenheit und den natürlichen Privilegien des Mannes war, der Silje so ärgerlich machte.
Wieder einmal bemerkte Charlotte erstaunt, wie jung Silje wirkte. Aber als sie nachrechnete, ging ihr auf, daß Silje tatsächlich noch nicht einmal dreißig war.
Sie war wirklich begabt, die Silje. Ständig verbesserte sie ihre Technik, und die Motive variierten fortwährend, sie malte niemals ein Motiv zweimal. Es war überhaupt kein Wunder, daß ihre Werke gefragt waren. Aber keine der Tapeten, die sie nach ihrem ersten Auftrag gemalt hatte, war so herrlich wie diese - die Tapete für Grästensholm.
Darauf abgebildet war Charlottes Reise von Trondheim, über Varstien, den Gemsenpfad, und das Dovregebirge, hinunter durch das Gudbrandsdal, die Aufenthalte auf den Kutschenstationen - alles, was Silje gesehen hatte und woran sie sich erinnerte. Es war eine ganz besondere Tapete, die wirklich Aufsehen erregte.
Charlotte hielt Ausschau nach Liv, aber sie war nirgends zu sehen. Liv hatte nicht nur die Phantasie ihrer Mutter geerbt, sondern auch die künstlerische Begabung, obwohl sie noch viel zu jung war, um beim Malen zu helfen. Aber sie war gerne bei Silje im Atelier und beschäftigte sich mit diesem und jenem, machte Pinsel sauber und malte eigene Bilder mit einfachen Landschaften und strahlender Sonne. Es war eine Menge Sonne und Licht in Livs Leben.
Schade, daß nicht der Junge das künstlerische Talent geerbt hatte, dachte Charlotte. Ein Mädchen konnte nicht viel ausrichten. Sie würde es machen müssen wie Silje, ihr Licht unter einen Scheffel stellen und im
Weitere Kostenlose Bücher