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Die Saga vom Eisvolk 03 - Abgrund

Die Saga vom Eisvolk 03 - Abgrund

Titel: Die Saga vom Eisvolk 03 - Abgrund Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Margit Sandemo
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kam an den Schlitzen ein Unterrock aus Goldlame zum Vorschein. Sie hatten auch versucht, ihr das Haar aufzustecken, aber es stellte sich heraus, daß es sich am besten machte, wenn es offen herunterhing. Sie war so schön, daß es einem fast den Atem verschlug.
    Auf dem Weg zum Schloß hatte Dag sie darauf vorbereitet, daß die Männer sie umschwärmen würden, und er hatte sie gebeten, sie auf gebührendem Abstand zu halten. Sol schnaubte bloß verächtlich. »Pah, ich will sowieso keinen dekadenten Hofnarren! Ich will einen, der rangeht!« »Verschone uns«, murmelte Dag matt. »Die vulgären Züge des Eisvolkes lassen sich nicht verleugnen. Von Hanna steckt eine ganze Menge in dir.«
    »Darauf bin ich stolz«, antwortete Sol. »Aber hab keine Angst, kleiner Bruder! Ich werde mich so tugendhaft und prüde benehmen, daß dir die Luft wegbleibt!« Da mußte Dag lachen.
    Dann mußte Sol einen tiefen Knicks vor König Christian machen, einem robusten 23jährigen, dem unleugbar bei ihrem Anblick ein gewisses Funkeln in die Augen trat. Da er aber im dritten Jahr verheiratet war und zudem noch gerade eine andere kleine Affäre unterhielt, waren ihm die Hände gebunden, was für ihn allerdings kein Hinderungsgrund war, sich nicht heimlich ihren Namen und ihre Adresse zu notieren.
    Aber auch viele andere Adlige unterschiedlichen Alters und Aussehens bewiesen lebhaftes Interesse an Sol. Ein gewisser Christian Friis freite stehenden Fußes um sie, und zwei andere Jünglinge, ein Gyldenstierne und ein Bille, hätten beinah um ihre Gunst eine Schlägerei angezettelt. Sol gefiel der Ball ausgezeichnet. Sie spielte die Tugendhafte, flirtete aber gleichzeitig hemmungslos mit anzüglichen Augenaufschlagen. Die Tänze, die Charlotte ihr beigebracht hatte, waren mittlerweile aus der Mode gekommen, aber die Kavaliere wetteiferten, ihr die neuen Schritte beizubringen, die sie schnell lernte. Sie bekam die unglaublichsten Angebote, fand es jedoch nicht im mindesten schwer, die Ehrbare zu spielen, denn sie war einfach an keinem der Männer interessiert.
    Aber dennoch ereignete sich auf dem Ball etwas, das mit einem Schlag ihrem prächtigen Leben in Kopenhagen ein Ende setzte.
    Es waren so viele Menschen dort versammelt, daß sie bei weitem nicht alle wahrnehmen konnte. Aber plötzlich fühlte sie sich beobachtet - und nicht nur das, denn Sol war empfindsam genug, um den Haß zu spüren, der ihr entgegenströmte.
    Sie entdeckte schnell, wer ihr diese haßerfüllten Blicke und unversöhnlichen Signale zusandte. Es war eine Frau, die sie augenblicklich wieder erkannte - die »erste Frau« des Hexenmeisters, wie Sol sie insgeheim bezeichnete, die, die in dem zweifelhaften Keller am meisten gesprochen hatte. Aha, die Dame hatte es also weit gebracht! Kein Wunder, daß sie es mit der Angst zu tun bekommen hatte, wenn man bedachte, was Sol über sie wußte!
    Aber diese Frau führte Böses im Schilde, das war nicht zu übersehen. Sol beschloß, auf der Hut zu sein.
    Der König war als einer der ersten dermaßen betrunken, daß er auf seinem Stuhl ins Bett getragen werden mußte. Sol war zwar auf Festen schon oft hemmungslose Völlerei und Trinkgelage begegnet, aber das hier brach alle Rekorde. Der Sitte gemäß gingen die Männer hinaus, um sich den Finger in den Hals zu stecken, so daß sie noch mehr essen konnten. Einige schafften es noch nicht einmal bis vor die Tür, und sie überließen das Wegwischen den Dienern. Schweine! dachte Sol verächtlich, und sehnte sich zurück ins Haus des Richters.
    Ein Mann trat zu ihr und verbeugte sich höflich. »Jungfer Sol? Euer Bruder wünscht Euch zu sprechen. Er ist unten im Zimmer am anderen Ende der Halle.«
    Sol bedankte sich etwas verwundert, ging die Treppe hinunter und betrat das Gemach. Eine Weile wartete sie in dem leeren Raum, ohne zu wissen, was sie hier sollte. Der Raum hatte mehrere Türen, aber alle waren verschlossen, und Sol hatte nicht im mindesten Lust, in irgendeinem Schlafgemach oder dergleichen zu landen.
    Dag tauchte auch nach längerem Warten nicht auf, ebenso wenig diejenigen, die Dag vor kurzem gesehen haben wollten. Vielleicht war sie im falschen Zimmer? Nein, das konnte nicht sein. Etwas irritiert begab sie sich wieder hinauf in den Ballsaal, um den Mann genauer zu fragen. Doch weder er noch Dag waren zu sehen.
    Sie ging zum Richterehepaar hinüber, aber auch sie hatten Dag seit geraumer Zeit nicht mehr gesehen. Die Frau aus dem Keller war ebenfalls verschwunden. Sol wurde von

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