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Die Saga vom Eisvolk 03 - Abgrund

Die Saga vom Eisvolk 03 - Abgrund

Titel: Die Saga vom Eisvolk 03 - Abgrund Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Margit Sandemo
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Schiff hatte sie fast um den Verstand gebracht. Mit beiden Händen hatte sie sich kräftig festgeklammert. Sie mußte ja aufpassen, daß die Seeschlange sich nicht auf ihre vergötterte Gönnerin stürzte, wenn Meta ihr den Rücken zukehrte.
    Sol ermahnte sie, die Tür zur Schlafkammer abzuschließen und nur ihr zu öffnen.
    »Ich will nur meine Schwester besuchen, die hier in der Stadt wohnt«, erklärte Sol. »Und du kannst nicht mitkommen, so müde wie du bist. Du schläfst ja schon im Stehen. Ich bleibe nicht lange fort.«
    Meta versuchte, zu protestieren, doch das Bett hatte eine unwiderstehliche Anziehungskraft.
    Sol hörte, wie sie die Tür von innen abschloß, und ein schwacher Laut verriet ihr, daß Meta ins Bett fiel, ohne sich auszuziehen.
    Gute Nacht und schlaf gut, dachte Sol, während sie sich hinausbegab, um nach Berenius' Haus zu suchen.
    Sie war über Livs Aussehen entsetzt. Die Schwester stand zuerst nur da und starrte sie an, als könne sie nicht fassen, was sie sah. »Aber Liv«, lachte Sol verwirrt. »Ich bin's, Sol. Deine unmögliche Schwester.«
    »Sol? Du bist… hier? In diesem Haus? Oh, Sol.« Endlich ging ihr auf, daß sie Besuch bekommen hatte! Überglücklich schmiegte sie sich an die große Schwester, als wolle sie sie nie wieder loslassen.
    »Aber liebes Kind«, sagte Sol bestürzt. »Wie siehst du nur aus? Wenn die Haarfarbe nicht wäre, dann würde ich dich gar nicht wiedererkennen, so hast du dich verändert. Und sogar dein Haar ist matt und glanzlos geworden.« Liv's Hände zitterte, als sie Sol ihre schönen Räumlichkeiten zeigte. Ängstlich griff sie sich ans Haar, ängstlich, daß auch ihr Mann es häßlich finden könnte. »Wwieso verändert?« Sol war sprachlos. Liv hatte doch früher nicht gestottert. »Du wiegst bestimmt nur noch die Hälfte. Und deine Augen! Die leuchten vor Angst, und du hast dunkle Ringe darunter. Ich dachte, du seist gesund und dir ginge es gut! Das haben sie in den Briefen von zu Hause erzählt. Ein wunderbares Haus, und… bist du allein im Haus?«
    Die kleine Schwester nickte. »Heute ist der Tratschtag meiner S-Schwiegermutter, sie ist bei der Frau von Tuchhändler Samuelzen. Dort bleibt sie fast den ganzen Tag. Oh, Sol, jemanden aus m-meiner Familie wiederzusehen! Reden zu dürfen, wie ich will, zu wissen, daß du mich nicht korrigierst und nicht rügst…« Sie brach in Tränen aus.
    Sol nahm sie in ihre robusten, lebenskräftigen Arme und hörte mit Schrecken das gewaltige Weinen, das klang, als habe es sich in Monaten der Einsamkeit aufgestaut. Als die kleine Schwester sich etwas beruhigt hatte, erfuhr Sol die ganze Geschichte. Das war unumgänglich. Liv konnte ihren Kummer nicht mehr länger zurückhalten.
    »Ich habe versucht, loyal zu sein, ich will nicht hinter dem Rücken meines Mannes über ihn sprechen, aber…« »Raus damit jetzt!« sagte Sol. »Hier muß alles raus, das begreife sogar ich.«
    »Er formt mich, Sol! Nach seinen Wunschträumen zu einer gefügigen, dummen und dienenden Ehefrau. Alles, was ich zu Hause gelernt habe, wird kritisiert und…«
    »Stimmt das wirklich?« rief Sol wütend aus. »Keine Eltern waren wohl besser als unsere.«
    »Nein, das finde ich auch, aber Berenius ist voller Verachtung.«
    »Mußt du ihn Berenius nennen? Aber das ist doch lächerlich!«
    »Oh, Gott sei Dank, findest du das auch? Ich dachte schon, ich werde verrückt. Und seine Mutter…«
    Alles sprudelte nur so aus ihr heraus. Sol hörte stumm vor Entrüstung und Entsetzen zu. Keinen Besuch von den Angehörigen haben, nicht nach Hause fahren, nicht malen, nicht das geringste Zeichen von Intelligenz zeigen zu dürfen, das war barbarisch! Unmenschlich!
    Gebrochene Lilien, dachte sie wehmütig. Sie, Sol die Unbeugsame, die nie in ein normales, anständiges Leben hinein gepaßt hätte, mußte sich im Verlauf ein und derselben Woche um zwei junge Mädchen kümmern, die bei ihr Zuflucht gesucht hatten! Als sei sie die Starke! Es war eine absurde Situation.
    »Und was das Eheliche…«, begann Liv, hielt dann jedoch inne. »Oh, nein, Verzeihung!«
    »Nein, raus mit der Sprache jetzt!«
    »Nein, bring mich nicht dazu, Sol, ich weiß nicht, ob ich in der Lage bin, über so etwas Intimes zu sprechen, hinter seinem Rücken.«
    »Wie du willst, ich werde dich nicht bedrängen.« »Sol, ich bin so unglücklich. So … niedergeschlagen! Bin ich wirklich für alles so absolut untauglich? Ich gebe mir Mühe und strenge mich an, aber immer ist es verkehrt.«

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