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Die Saga vom Eisvolk 03 - Abgrund

Die Saga vom Eisvolk 03 - Abgrund

Titel: Die Saga vom Eisvolk 03 - Abgrund Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Margit Sandemo
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arrangierte sie ihr Kleid so, daß sie so vornehm wie möglich aussah. Das war nicht weiter schwierig, denn sie hatte das beste Kleid an, das sie von der Gräfin Strahlenhelm bekommen hatte, und für norwegische Verhältnisse war es sehr modern. Dann durchsuchte sie ihren geheimnisvollen Vorrat und steckte davon etwas in ihre Tasche.
    Am Ziel angelangt, bat sie den Kutscher, er möge Gräfin Thott aus Kopenhagen melden. Es gab so viele Thotts, daß man über diese weitverzweigte Familie unmöglich einen Überblick haben konnte.
    Der Kutscher stieg die Treppe hoch, und kurz darauf wurde die »Gräfin« willkommen geheißen. Sol schwenkte das Kleid und segelte theatralisch und elegant ins Haus, mit einem Hut nach der letzten Kopenhagener Mode auf dem Kopf. Die Ehefrau des Tuchhändlers, die voluminöse Frau Samuelsen, verneigte sich mehrere Male und bat den hohen Gast, in ihre bescheidene Kaufmannswohnung einzutreten, wo ihre Freundinnen gerade versammelt waren. Zugleich grübelte sie verzweifelt darüber nach, was diese feine Gräfin zu ihr geführt haben mochte.
    Sol glitt in den Salon. Mit sehr geradem Rücken und eine, freundlichen, doch etwas herablassenden Miene ließ sie den Blick über die anwesenden Frauen schweifen. In ihrem bester Dänisch bat sie die Gastgeberin, ihr die sympathischen Damen vorzustellen.
    Ihr Dänisch war nicht sonderlich perfekt, aber das fiel niemandem weiter auf.
    Frau Samuelsen tat, worum sie gebeten worden war, und Sol merkte sich, wer Frau Berenius, Livs Schwiegermutter, war. Weil Sol nicht zur Hochzeit hatte kommen können, waren sie sich noch nie begegnet. Alte Schachtel, dachte sie. Das ist sie also, die das beste Mädchen von ganz Norwegen tyrannisiert. Ein Fleischberg mit kläffender Stimme. Oh, arme Liv, wie schlecht muß es ihr ergangen sein! Sol wandte sich wieder an die Gastgeberin. »Ach, meine liebt Frau Samuelsen, ich komme direkt von Hofe …« Ganz offensichtlich waren die Freundinnen beeindruckt. »Und dort sprach ich mit meinem Freund, dem alten Grafen Löwenbrander, der mich um einen Besuch bei Euch bat… « Das konnte sie ganz beruhigt behaupten, denn einen Grafen mit dem Namen gab es nicht. »Und er erzählte mir, daß er in seiner Jugend bis zum Wahnsinn in Euch verliebt war, sich aber wegen der Familie nicht mit Euch vermählen konnte. Nie hat er Euch vergessen, Frau Samuelsen. Ist das nicht romantisch, meine Damen?« Sol lächelte sie strahlend an.
    Frau Samuelsen war äußerst verwirrt. »Nein, aber oh, wer kann das sein? Graf Löwenbrander? Ich kann mich nicht erinnern…«
    »Nein, natürlich nicht! Er konnte damals seinen adeligen Namen nicht verwenden, das versteht Ihr gewiß. Ebenso wenig wagte er, seiner Bewunderung für Euch Ausdruck zu verleihen. Doch Ihr wißt sicher, wen ich meine, nicht wahr?« Die Frau preßte ein kurzes, unsicheres Lachen hervor, das alles mögliche bedeuten konnte. Sol sah ihr an, wie sehr sie nachgrübelte.
    Dennoch war die Gastgeberin gewiß zufrieden! Denn die anderen machten Stielaugen.
    Sol hatte neben Livs Schwiegermutter Platz genommen. Ihre Hände flogen wie Vogelflügel über den Tisch, während sie redete und alle Aufmerksamkeit auf ein Gemälde an der Wand lenkte.
    Die Gastgeberin wollte ihr ebenfalls Erfrischungen anbieten, Sol jedoch entschuldigte sich. Ihr Wagen warte vor der Tür, und sie habe es eilig.
    So verließ sie das Haus mit einem eleganten Abgang und mußte beim Gedanken an die bewundernden Blicke vor sich hinlächeln. Mit etwas Verzögerung trafen Sol und Meta beim Stadttor ein, wo Dag mit einem ganz gewöhnlichen Pferdefuhrwerk wartete.
    Und Livs Schwiegermutter tat eine halbe Stunde später ihren letzten Atemzug, nach einem sehr überzeugenden Schlaganfall. Niemand brachte diesen Vorfall in Verbindung mit dem Wein, den sie gut eine Stunde zuvor getrunken hatte. Und noch viel weniger mit der vornehmen Dame aus Kopenhagen. Und da es nicht in ihrem Haus geschehen war, konnte Liv auch nicht wegen des Todes der Schwiegermutter in Verdacht geraten. So wollte Sol es haben. Und Sol bekam immer, was sie wollte.
    Dag ging direkt hinauf nach Grästensholm. Dort war er zu Hause, dort lebte seine Mutter in Einsamkeit. Charlotte war selbstverständlich hingerissen darüber, ihren eleganten Sohn wiederzusehen. Sie lachte und trocknete sich die Tränen. »Wir haben euch erst in ein paar Tagen erwartet. Wir hatten vor, euch vom Schiff abzuholen. Na, wie ist es dir ergangen? fragte sie neugierig, nachdem sie sich aufs

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