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Die Saga vom Eisvolk 04 - Sehnsucht

Die Saga vom Eisvolk 04 - Sehnsucht

Titel: Die Saga vom Eisvolk 04 - Sehnsucht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Margit Sandemo
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sein, das nie , Sie verstummte abrupt.
    »Yrja kommt zurück!« rief sie aus. »Mit ihrem Bündel und allem. Das ist doch Yrja - da hinten bei Eikeby?«
    Tarald stürzte zum Fenster. »Ja, natürlich ist das Yrja, niemand watschelt so komisch wie sie. Ich laufe ihr entgegen.« Er rannte die Treppe hinab, verfolgt von den Ermahnungen seiner Mutter, die er nicht hörte. Er flog beinahe den Weg hinunter. Weit hinten auf der Straße traf er auf Yrja.
    »Du kommst zurück?«, sagte Tarald atemlos mit leuchtenden Augen.
    »Ja. Kolgrim braucht mich mehr als diese verwöhnten Mannsbilder.« Er nahm ihr das Bündel ab.
    »Er wurde ganz wild, als er dich weggehen sah, Yrja. Er hat geweint!«
    »Kolgrim?« sagte sie verwundert. »Ich dachte immer, er macht sich nichts aus…«
    »Dachten wir auch. Mutter war ganz gerührt. Yrja… hast du … über meinen Vorschlag nachgedacht?« »Ja, das habe ich«, sagte sie ernst. »Und?« »Ich sage ja. Mehr Selbstachtung habe ich nicht.« »Jetzt verstehe ich dich nicht. Ist es ein Abstieg, Herrin auf Grästensholm zu werden?« »Das habe ich nicht gesagt.«
    »Ach so, du meinst, du bist das Angebot nicht wert? Du brauchst dich nicht zu schämen, daß du es annimmst! Du weißt, wie sehr wir dich brauchen. Vater sagt, daß ich dir einen Heiratsantrag gemacht habe, war das Vernünftigste, was ich je getan habe - und Mutter schimpft mit mir und sagt, ich hätte dich verjagt. Sie hat mich ein ungeschicktes Walroß genannt, und da bin ich wütend geworden, denn das habe ich nicht verdient.«
    Yrja lächelte in sich hinein. Die Baronin war schon immer eine kluge Frau gewesen. »Nur eine Sache noch«, sagte sie und blieb in der Auffahrt zum Gutshof stehen. »Ja?«
    »Können wir… mit dem zweiten Kind noch eine Weile warten? Ich glaube nicht, daß… ich dafür schon reif genug bin.«
    Tarald drückte ihre Hand. »Aber natürlich, das verstehe ich. Laß dir soviel Zeit, wie du brauchst!«
    Er hatte überhaupt nichts verstanden. Er glaubte, daß sie die Schwangerschaft meinte. Er begriff nicht, daß es der eigentliche Akt war, gegen den sie sich sperrte. Den Mann zu empfangen, den sie seit so vielen Jahren liebte, ihn in ihren Armen zu halten und zu wissen, daß sie ihm nicht mehr bedeutete als irgendeine halbwegs brauchbare Zuchtstute. Der Gedanke war unerträglich.
    Sie gingen eine Weile schweigend nebeneinander her. »Und außerdem«, sagte Yrja, »wer hat gesagt, daß ich überhaupt geeignet bin, Kinder zu bekommen? Früher war ich kränklich, wie alle sehen können. Vielleicht kann ich gar kein Kind haben. Du solltest dir eine andere suchen.« »Aber Kolgrim will unbedingt dich.«
    Das mußte als Pflaster auf die Wunde genügen, die in Yrjas Brust brannte.
    Dag und Liv waren hinunter in die Halle geeilt, den kleinen widerborstigen Enkel in ihrer Mitte. Die kurzen Beinchen stapften eifrig Richtung Haustür, und sein hicksendes Schluchzen hallte von den Wänden wider.
    Dag öffnete, und der Kleine zog sie hinter sich her auf die Treppe hinaus. Genau in dem Moment kamen Yrja und Tarald die Stufen herauf. Kolgrim riß sich los und warf sich Yrja mit ausgestreckten Armchen und einem erneuten Aufheulen entgegen - diesmal vor Freude. Er wurde hochgehoben und legte seine Arme um Yrjas Hals.
    Sie liebkoste die spitzen, kantigen Schultern. »Geliebter kleiner Fratz«, tröstete sie. »Mein geliebter kleiner Fratz, jetzt bleibe ich immer bei dir.«
    Gerührt beobachteten die anderen das Wunder.
    Kolgrim empfand etwas für einen anderen Menschen! Nur Liv konnte sein Gesicht über Yrjas Schulter sehen. Es lief ihr eiskalt über den Rücken, als sie ein Lächeln über sein Gesicht huschen sah. Ein häßliches Grinsen, triumphierend und voller Falschheit.
    Sie mußte sich getäuscht haben, dachte sie gleich darauf. Vielleicht war das seine einzige Möglichkeit, Freude zu zeigen?
    Aber wenn sie geglaubt hatten, daß er nach all dem nun leichter zu handhaben sei, so wurden sie enttäuscht. Er war und blieb ein kleines Monstrum, das sich vollkommen seiner Macht bewußt war und wußte, wie er sie nutzen konnte. Und ebenso, wie Silje einmal die Erfahrung mit Sol gemacht hatte, fanden sie heraus, daß Strafe das verkehrteste Mittel war, das sie anwenden konnten. Dann wurde Kolgrim lebensgefährlich vor Haß und Rachsucht. Mit der Zeit gelang es ihnen, eine Art Ausgewogenheit zwischen Liebe und Strenge zu finden -aber es kostete sie enorm viel Kraft. Nein, ein neuer Tengel der Gute war er ganz und gar nicht.

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