Die Saga vom Eisvolk 04 - Sehnsucht
schneller ging?
»Ich will ganz lieb sein. Zu dem neuen Kind, meine ich.« »Das ist schön. Ich hab dich sehr lieb, Kolgrim. Du bist mein allerbester Freund!«
Er schlug seine Ärmchen um ihren Hals, so daß sie direkt In seine schwefelgelben Augen schaute. »Hast du noch einen anderen Freund?« fragte er eifersüchtig.
Warum mußte er sie jetzt ausgerechnet daran erinnern? »Nein, ich habe keinen anderen Freund, der so ist wie du«, sagte sie matt. Aber sie wußte, daß er, Kolgrim, sie jetzt brauchte.
Dag, der die ganze Geschichte mit den Trollen angehört hatte, sagte nachdenklich: »Cecilie, du solltest mit ihm über christliche Gebote reden, anstatt…«
»Aber das tue ich doch, Vater! Ich verkleide sie nur ein wenig, habt Ihr denn nicht begriffen, welche Regeln für den Jungen von Belang sind? Und gerade heute braucht er besonders viel Zuwendung.« »Ja, das verstehen wir doch.«
»Kommen da auch Hexen?«, wollte Kolgrim wissen. »Aber natürlich! Haufenweise! Und Wassergeister und Nixen und Elfen und Zwerge und Kobolde und Heinzel…« »Auch Zauberer?« »Hunderte!« Kolgrim seufzte vor Glück.
»Nein, weißt du was, jetzt gehen wir raus! Wir gehen zu Tante Meta auf Lindenallee. Vielleicht hat sie ja schon Weihnachtsbrot gebacken, und dann schleichen wir beide uns in die Küche und klauen ein Stück!« »Au ja!« rief Kolgrim.
Dag schüttelte resigniert seinen Kopf. Das hier konnte nicht gutgehen, aber noch nie vorher hatten sie Kolgrim so glücklich gesehen, also sahen sie großzügig über Cecilies kühne Erziehungsmethoden hinweg.
»Und wie willst du das mit dem Trollfest hinkriegen?« fragte Dag leise aus dem Mundwinkel heraus, als er ging. »Ach, bis dahin hat er seine Illusionen sicher verloren«, antwortete Cecilie ebenso leise. Dann verschwanden die beiden nach draußen, gerade noch rechtzeitig, bevor bei Yrja die Wehen einsetzten.
11. KAPITEL
Die Hebamme stemmte die Hände in die Hüften. »Das Kind, das hier jetzt zur Welt kommen soll, ist ein Kind des Eisvolks. Das nehme ich nicht allein in Empfang. Ich werde nie das erste Mal vergessen!«
Sie wollte den jungen Tarjei dabei haben. Denn Herr Tengel ist ihm vertraut.
Nach einigem Hin und Her kam man überein, Tarjei zu holen.
Er war jetzt ungefähr achtzehn, ein junger Mann von mittlerer Größe, mit eigentümlichen, scharfen Gesichtszügen und einem so durchdringenden Blick, daß jeder, den er ansah, sofort damit begann, sein Gewissen zu überprüfen. Es war bekannt, daß er auf der Universität hervorragend abgeschnitten und daß er in den anschließenden Jahren große Fortschritte im Bereich der ärztlichen Heilkunst gemacht hatte, sowohl theoretisch als auch in der Praxis. Er war ein würdiger Nachfolger Tengels, nur noch aufgeklärter und noch perfektionistischer als sein Großvater.
Er lächelte Yrja beruhigend zu, die nicht recht wußte, ob sie einen jungen Mann als Geburtshelfer nun gutheißen sollte oder nicht. Natürlich war Tarjei ihr vertraut - sie hatte ihn aufwachsen sehen, hatte gemeinsam mit ihm die Pest bekämpft, und sie hatte mit ihm zusammen Kolgrim auf die Welt geholfen. Aber er war lange Zeit von zu Hause fort gewesen, weit im Süden, in einem Land, das Deutschland hieß, und als er heimkam, war er ihr fremd geworden - weltgewandt, sicher, intelligent. Er wirkte viel erwachsener als sie selbst. Und dabei hatte sie seiner Mutter Meta geholfen, seine Windeln zu wechseln, als er klein war! Yrja hatte gebetet. Den ganzen letzten Monat hatte sie Gott um Kraft und Erbarmen angefleht. Sie hatte gesehen, wie Kolgrim geboren wurde, hatte gesehen, wie er Sunniva das Leben raubte. Trotzdem hatte sie sich freiwillig und ohne Angst in dieses Abenteuer gewagt Sie hatte sich so sehr nach einem Kind von Tarald gesehnt. Erst jetzt, in der letzten Zeit, hatte sie die Gefahr erkannt. Die Gefahr, daß auch ihr das Furchtbare widerfahren konnte. Nicht einmal Herr Tengel hatte Sunniva retten können. Wie sollte da der junge Tarjei Yrja helfen können, wenn die Katastrophe erneut eintrat?
Nachts, wenn Tarald eingeschlafen war, hatte sie schweißgebadet wachgelegen. Aber ihre Gebete hatten nicht ihrer Person gegolten.
Gütiger Herrgott, hatte sie in das Dunkel geflüstert. Sei barmherzig mit uns! Laß mich Tarald ein Kind schenken, das keinen Kummer mit sich bringt!
Und jetzt war ihre Zeit gekommen. Ihr Körper fühlte sich benommen an, als ob er nicht mithelfen wollte, ihr Bewußtsein war wie in Watte gepackt, sie bekam gar nicht
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