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Die Saga vom Eisvolk 04 - Sehnsucht

Die Saga vom Eisvolk 04 - Sehnsucht

Titel: Die Saga vom Eisvolk 04 - Sehnsucht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Margit Sandemo
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Zügen unter dunklen, kupferroten Haaren, und mit einem leichten Lächeln auf den Lippen. Die Augen waren geschlossen. Gewöhnlich ziehen sich die Gesichter neugeborener Kinder krampfartig vor dem Licht zusammen, so daß man ihre Gesichtszüge gar nicht richtig erkennen kann. Bei diesem Kind war das anders.
    Der Kloß in seinem Hals wurde größer. Dag spürte heiße, salzige Tränen über seine Wangen laufen, und mit einemmal begriff er, wieviel schreckliche Angst sie alle ausgestanden hatten.
    Heimlich trocknete er die Tränen mit seiner weichen Amtmannshand fort und wandte sich zu Tarald und Yrja um. Er lächelte. »Wie soll er heißen? Distelflaum?«
    Tarald lächelte ebenfalls. »Er heißt natürlich Dag, aber Yrja hat so inständig darum gebeten, daß er auch den Namen ihres Vaters haben soll. Weil es doch unser einziges Kind bleiben wird. Der Traum des Vaters ist es nun einmal, daß ein Baron nach ihm benannt wird. Falls es ein Junge wird, und das ist es ja nun.«
    »Natürlich. Wie heißt dein Vater noch gleich, Yrja?« »Mattias«, flüsterte sie, denn ihre Stimme war noch nicht zurückgekehrt.
    »Aber ja! Mattias ist ein sehr schöner Name«, sagte Dag. »Darf ich vorschlagen, daß der sein Rufname wird? Dann gibt es keine Verwechslung mit meinem Namen. Es ist so umständlich, immer der ältere und der jüngere zu sagen. Wir werden mit dem Pastor sprechen, damit er so bald wie möglich getauft wird!«
    Niemand fragte, warum. Alle wußten, daß Trolle um seine Wiege lauerten - und der wahrscheinlichste Mittelsmann war sein eigener Halbbruder.
    Liv sah auf ihren neugeborenen Enkel hinunter. Sie war sich nicht bewußt, daß ihre Hände sich zu Fäusten geballt hatten und ihre Arme zitterten.
    »Lieber Gott«, betete sie insgeheim. »Lieber Gott, laß mich nicht ungerecht sein. Hilf mir, Gott, mit gerechten Augen zu schauen!«
    Ungefähr dasselbe beschäftigte Yrjas erschöpftes Herz. Danke, dachte sie immer wieder. Ich danke dir, gütiger Gott, daß Du mir gestattet hast, dieses kleine Wunder zur Welt zu bringen! Was hast Du damit beabsichtigt, Herr, daß Du mich, Deine armselige Dienerin, dazu ausersehen hast? Mißversteh mich nicht, Himmlischer Vater, ich maße mir nicht an, eine besonders Auserwählte zu sein, ich denke nicht an Weihnachtsabend-Symbolik oder Messias Phantasien. O nein! Aber hast du etwas Besonderes mit mir vor? Willst Du mich auf die Probe stellen? Ob ich genug Demut in mir habe und nicht hochmütig werde? Du hast mir ein großes Geschenk gemacht, das weiß ich, und ich bin sehr glücklich, daß ich meinem geliebten Mann diesen Sohn schenken durfte. Gib mir Kraft, Vater! Du weißt, daß ich sie brauchen werde. Ja, dies ist eine Probe, ich fühle es. Hilf mir, sie zu bestehen, lieber Gott!
    Tarald sprach Yrjas Andeutung offen aus. Er konnte sich nicht sattsehen an dem Kind in der Wiege.
    »Eine ganze Menge Kinder werden Weihnachten geboren«, sagte er und blickte die anderen beinahe herausfordernd an. »Jedes Jahr, überall auf der Welt. Und er wurde morgens geboren!«
    »Du liebe Güte, natürlich«, sagte Dag. »Wir bilden uns doch nichts ein!«
    »Nein, dazu gibt es auch keinen Grund«, sagte Tarald nüchtern. »Yrja war lange über die Zeit. Sie ist nicht an Maria Verkündigung schwanger geworden, keineswegs. Also war es ein reiner Zufall, daß das Kind am Weihnachtstag zur Welt gekommen ist.«
    Liv sagte weich: »Ich glaube, es liegt nicht an diesem Datum, daß wir so zuversichtliche Empfindungen haben. Es ist wohl eher der Gesichtsausdruck des Kleinen. Wie heißt es im Choral über Unseren Herrn Jesus Christus? Sanftmütig, mild und gütig. Das ist es, was uns jetzt durch den Kopf geht.« Die anderen nickten ernst.
    Nein, eine Christusgestalt war der kleine Junge nicht. Aber niemand konnte bestreiten, daß er einen Lichtblick in ihr verzweifeltes Erdendasein brachte. Und viele dachten: Ach, wenn doch nur Silje und Tengel und Charlotte ihn hätten sehen, ihn erleben können!
    Wenn Yrja daran dachte, für welchen kostbaren Schatz sie nun die Verantwortung trug, wurde ihr angst und bange. Und wie alle anderen Mütter auf der Welt lauschte sie ängstlich auf seine Atemzüge, und sie starb jedesmal beinahe vor Schreck, wenn sie meinte, er habe aufgehört zu atmen. Das ist wohl der größte Albtraum aller frischgebackenen Mütter!
    Der kleine Mattias wurde an einem kalten Januartag getauft, in den Armen seiner Großmutter Liv. Und ein mächtig stolzer Großvater, der Bauer von Eikeby, stand

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