Die Saga vom Eisvolk 05 - Todsünde
abgeschickt, als der Sommer in voller Blüte stand.
Der eine kam von Grästensholm, er wurde den langen Weg nach Kopenhagen gebracht. Er war von Liv an ihre Tochter Cecilie.
Mein liebstes kleines Mädchen!
Wie schrecklich betrüblich die Nachricht, daß Du Euer Kind verloren hast! Wie traurig wird Dein Mann sein, wenn er es erfährt! Was kann ich sagen, was kann ich tun? Könnte ich doch jetzt nur zu Dir reisen und eine Zeitlang bei Dir sein! Aber Dänemark ist im Krieg, wir dürfen nicht hinfahren. Dennoch ist es gut, daß Du Deine Schwägerin bei Dir hast. Sie scheint mir etwas barsch, aber anständig zu sein. Sie hat einen freundlichen und verständnisvollen Brief über Deinen bedauernswerten Zustand geschrieben. Grüße sie und sage ihr vielen Dank von uns!
Versuche nach vorn zu sehen, liebe Cecilie! Dein Alexander, auf dessen Bekanntschaft ich schon sehr gespannt bin, wird sehr bald wieder daheim sein, denn alle Kriege sind einmal zu Ende. Auch wenn dieser bereits sieben Jahre währt. Wir können nicht verstehen, warum Dänemark sich darin einmischen mußte.
Hier zu Hause auf Grästensholm und auf Lindenallee geht das Leben seinen geruhsamen Gang. Wir alle sind so glücklich, weil Dein kleiner Schützling Kolgrim so vernünftig geworden ist. Er ist so brav und willfährig, wie Du es nicht für möglich halten würdest. Seinem kleinen Bruder, dem wunderbaren Mattias, gegenüber verhält er sich wie ein Engel, und alle Frauen auf Grästensholm vergöttern ihn. Ich kann Dir gut nicht beschreiben, wie sehr er sich verändert hat. Die Besorgnis, die wir bei seiner Geburt hegten, erweist sich als vollkommen unbegründet, liebe Cecilie. Alles steht mit Kolgrim jetzt so gut.
Glaub es nur, dachte Cecilie verbittert. Worauf legst du es jetzt wieder an, du kleiner Satansbraten? Oder hast du nur herausgefunden, daß du mehr Vorteile davon hast, wenn du eine brave Oberfläche zeigst?
Tarald und Yrja geht es gut. Yrja hat sich die Hand an einem Rosenbusch aufgerissen, als sie Walderdbeeren pflücken war, aber das ist jetzt verheilt. Eine der Dienstmädchen hat sich mit einem Küchenmesser böse in die Hand geschnitten, und der Bartscherer hat Teufelsdreck draufgeschmiert. Das hätten Vater oder Tarjei nicht getan, aber dem Mädchen geht es trotzdem besser.
Meta hat sich entsetzlich aufgeregt, als ihre beiden jüngsten Söhne in den Krieg eingezogen wurden. Auch Are ist grüblerisch und gedankenvoll geworden, auch wenn er seine Gefühle nur wenig zeigt. Doch am ärgsten ist, daß sie kein Wort von Tarjei gehört haben. Sie haben einen Brief an die Universität in Tübingen gesandt, aber
er kam mit der Mitteilung zurück, daß er dort nie angekommen sei. Wir sind alle zutiefst in Sorge. Hast du etwas gehört? Der arme Klaus steht jeden Tag unten am Weg und hält Ausschau, ob der Wagen, der seinen Sohn Jesper fortgeschafft hat, nicht bald zurückkommt. Es ist so tragisch, es tut mir um den Mann so leid.
Vater geht es gut, aber mir gefallt es nicht, daß er so viel arbeitet. Er »nimmt sich Arbeit mit nach Hause«, liegt nachts wach und grübelt lange über schwere Fälle nach, die er gehabt hat. Aber er ist ein unendlich gerechter Amtsrichter, das sagen alle. Vielleicht liegt es daran, daß er sein Amt so ernst nimmt.
Ja, und dann haben wir unseren lieben Pastor, den jungen Herrn Martinus, verloren, den Du gewiß kennengelernt hast. Du weißt, daß er es mit seiner Frau schwer hatte, doch nun scheint zwischen den beiden alles gut zu stehen, und er hat eine schöne Domprobst- oder Bischofsstelle oder dergleichen bekommen, in Tonsberg, glaube ich. Ich bin nicht sicher. Jedenfalls wurde die Frau am Ende unglaublich sanft, und das ist seinetwegen so beruhigend, denn er ist ein so feiner Mensch, in der Tat die Leibe einer Frau verdient. Wir vermissen ihn sehr.
Das ist für diesmal alles. Die Blumenrabatten, die du gepflanzt hast, blühen jetzt, bis auf eine Pflanze, die sich nicht erholt hat. Ich habe an die Stelle etwas anderes eingepflanzt, keine Ahnung, was, es sieht hübsch aus. Rotlila. Denk nicht mehr daran, was geschehen ist, kleine Cecilie. Du weißt, das wir Frauen oft unsere Neugeborenen sterben sehen müssen Eine Frau in Oslo, die ich einmal kannte, hat neun Kinder verloren, noch bevor sie ein Jahr alt waren. Du hast das beste vor Dir, und die Kinder des Eisvolkes waren schon immer robust.
Vater läßt Dich grüßen. Unsere Gedanken sind bei Dir. Und vergiß nicht, Lavendel in den Wäscheschrank zu legen! Da
Weitere Kostenlose Bücher