Die Saga vom Eisvolk 05 - Todsünde
benutzte Tür hinter sich.
Alexander lag auf dem Rücken, wie gewöhnlich, mit den Armen über dem Kopf, so daß sie sein Gesicht verbargen. Neben seinem Bett brannte eine Kerze.
»Kannst du nicht schlafen?« fragte sie leise, obwohl sie hier in ihren Gemächern niemand hören konnte. »Nein. Ich hatte nicht die Absicht, dich zu wecken.« »Ich habe nicht geschlafen.«
Sie kauerte sich in einem Sessel zusammen.
Widerwillig nahm er die Hände vom Gesicht. Es sah im Kerzenschein sehr müde und mitgenommen aus. »Heute ist das Haus schwer beheizbar. Winter. Du frierst.« Cecilie faßte es als Einladung auf. »Darf ich für eine Weile unter deine Decke kommen?«
Alexander lachte auf. »Das wird wohl nichts schaden.« Sie schmiegte ihre Füße an seine. Wie kraftlos und tot sich seine Beine anfühlen, dachte sie und zog ihre Beine an.. Sie streckte sich neben ihm aus, lag auf dem Rücken wie er. »Dein Bett ist warm und gemütlich.«
»Wirklich?« lächelte er. »So haben wir noch nie zusammengelegen, du und ich.«
»Nein.« Und das ist nicht meine Schuld, dachte sie.
Alexander griff unter der Decke nach ihrer Hand. »Es tut mir um deinetwegen so leid. Wegen des Kindes, meine ich. Trauerst du sehr darum?«
Cecilie hielt seine Hand fest, so daß er sie nicht wegziehen konnte. »Ja und nein. Ich hatte das kleine Leben mittlerweile lieb gewonnen. Es war ein Wesen, das meine Fürsorge brauchte. Und dann hätte ich dir einen Erben schenken können, der den Familiennamen weitergibt, wenn es ein Junge geworden wäre.« Das wäre es, dachte Alexander.
»Ich hatte den richtigen Vater vollkommen vergessen, für den ich nie mehr als für einen Freund empfunden habe. Aber trotzdem …Ich weiß nicht, Alexander …Aber die Tatsache, das es nicht deins war, hätte vielleicht Probleme mit sich gebracht.« »Welcher Art, meinst du?«
»Für dich, meine ich. Ich frage mich, ob ich nicht oft Angst gehabt hätte, du würdest das Kind als Kuckucksei oder dergleichen betrachten.« »Das glaube ich nicht.«
»Nein, aber diese Sorge hätte ich immer gehabt.« »Dann meinst du also: Gut, daß es so gekommen ist?« »Nein. Es war eine Tragödie. Für mich. Es war nur ein Gedanke, mit dem ich mich zu trösten versucht habe. Oder …« »Du schweigst. Was wolltest du sagen?«
»Du erinnerst dich doch noch, daß ich dir von der Hexe Sol erzählt habe? Sie bekam eine Tochter, Sunniva. Sol konnte das Kind nicht lieben. Nur Fürsorge dafür empfinden. Weil sie den Vater haßte.« »Aber den Pastor haßt du doch nicht?«
»Nein. Ich empfinde nur Erniedrigung. Und das ist fast genauso schlimm.« Für eine Weile lagen sie schweigend da. »Warum konntest du nicht schlafen?«
»Oh, das kann man sich doch leicht denken.« »Ja. Dumme Frage. Alexander, deine Schwester hat mir von deiner Kindheit erzählt.«
Heftig wandte er den Kopf ab. »Warum hat sie das denn ausgegraben?« »Dann erinnerst du dich also?« »Ja, natürlich erinnere ich mich.«
Cecilie war verletzt. »Aber mir hast du gesagt…« »Liebe Cecilie, ich habe dich nicht belogen. Nicht direkt. Du glaubst, ich habe die Erinnerung daran verdrängt, nicht?« »Ja, das habe ich geglaubt.«
»Aber so ist es nicht. Ich erinnere mich an alles - mit erschreckender Deutlichkeit, aber die Geschehnisse müssen vergessen werden, verstehst du. Ich habe mir selbst verboten, sie je zu erwähnen. Sie haben nicht existiert. Verstehst du?«
»Ja, aber sonderlich wirkungsvoll war das nun ni…« Er unterbrach sie. »Deshalb habe ich gesagt, daß ich mich nicht erinnere.«
Cecilie schwieg eine Zeitlang. »Aber nun, da ich alles gehört habe…?«
»Du hast Ursulas Version gehört. Nicht meine.«
Wieder schwieg Cecilie, bevor sie einen neuen Versuch unternahm. »Findest du nicht, daß ich das Recht habe, auch deine Version zu hören?« »Oh, wozu soll das denn gut sein?« »Zum Verständnis.«
»Cecilie, du hast die abstruse Theorie, daß ich mich ändern kann. Bilde dir so was nicht ein, das wird nie geschehen. Und übrigens - was hat das jetzt noch für eine Bedeutung?«
»Sei nicht so verbittert, Alexander! Aber ich habe natürlich leicht reden. Nein, ich will von diesen Geschehnissen hören, weil du mich interessierst. Als Mensch. Es gibt in deinem Leben so viele rätselhafte Lücken.«
»Dann laß mich doch ein bißchen geheimnisvoll bleiben!«
»Etwas geheimnisvoll? Alexander, ich meine, daß du am Anfang normal warst, bezogen auf das Verhältnis Mann - Frau. Weil du dich oft in das
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