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Die Saga vom Eisvolk 05 - Todsünde

Die Saga vom Eisvolk 05 - Todsünde

Titel: Die Saga vom Eisvolk 05 - Todsünde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Margit Sandemo
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Schreckenskabinett deines Vaters geschlichen hast. Du hast dir gern die nackten Frauen angeschaut, mit der natürlichen Neugier eines kleinen Jungen. Also warst du …«
    »Nein, nein«, unterbrach er sie. »Du irrst dich vollkommen. Ich mochte sie überhaupt nicht.«
    »Aber warum bist du dann hinein gegangen?« »Weil meine Mutter mich hineingesteckt hat. Zur Abschreckung und Warnung. ›Sieh dir diese widerlichen Wesen an‹, sagte sie zu mir. ›Halte dich von allen Frauen fern, mein kleiner Alexander, bleib zu Hause bei deiner Mutter! Für immer, für immer, geh niemals von deiner Mutter fort, Alexander‹!«
    »Dann war es also deine Mutter, die dein verdrehtes Liebesleben verursacht hat?«
    »Nein, Cecilie, es ist wesentlich komplizierter. Du darfst nicht versuchen, hieraus so etwas wie eine seelische Untersuchung zu machen.«
    »Aber du gibst zu, daß du nicht so geboren worden bist?« »Woher soll man wissen, welche Einstellung man zum Liebesleben hat, wenn man erst sechs Jahre alt ist? Das interessiert einen doch nicht!«
    »Ja, da hast du sicher recht. Aber wie war es denn nun? Wo ist es fehlgeschlagen?«
    »Muß etwas fehlgeschlagen sein? Kannst du nicht einfach akzeptieren, daß ich so bin wie ich bin?« »Ich will wissen, was passiert ist!«
    »Oh, es war alles so verworren, und ich entsinne mich nicht an alles. Nur an Bruchstücke.« »Dann erzähl mir die Bruchstücke!«
    »Du bist der beharrlichste Mensch, der mir je begegnet ist.«
    Cecilie wartete. Doch sie hatte eine kleine Hoffnung. Denn nun war er es, der ihre Hand hielt.
    Endlich begann er: »Ich erinnere mich an die Angst meiner Mutter, verlassen zu werden, und ich kann sie im Grunde verstehen. Sie hatte so viele Kinder verloren - und Vater kümmerte sich überhaupt nicht um sie.« »Nein?«
    »Nein, du verstehst, als meine Mutter mich einmal in das Bilderkabinett geschickt hat, um alles verabscheuen zu lernen, was mit Frauen zu tun hatte, da … Ja, da war Vater dort drinnen. Ausgezogen. Mit zwei nackten Frauen. Das war der Moment, in dem er entschied, ich sollte Prügel haben.«
    »Dann wußte deine Mutter nichts von den Frauen?« »Das weiß ich nicht. Vielleicht hat sie mich absichtlich hineingeschickt, vielleicht hatte sie auch keine Ahnung davon. Für meine Misere ist das wohl auch unwesentlich.«
    »Ja, natürlich. Hast du die zehn Schläge mit dem Stock bekommen?« »Nein.«
    »Dann hatte ich also recht? Was den Diener anging, der den Auftrag hatte, dich zu schlagen?«
    »Ich kenne deine Theorie nicht, aber er hat versprochen, daß mir der Stock erspart bleiben, wenn ich …ihm gewisse Gefälligkeiten erwiese.«
    Cecilie nickte. »Das habe ich mir gedacht! So hat es also angefangen?«
    »Ja. Sechs Jahre Hölle, Cecilie. Ich hätte die Prügel nehmen sollen, aber ich war ein Kind, und feige. Ich tat, was man mir sagte. Am Anfang war es mir so zuwider, daß mir schlecht wurde. Im Laufe der Zeit habe ich mich daran gewöhnt. Er drohte mir die schrecklichsten Bestrafungen an, wenn ich petzen würde, gewährte mir aber eine Menge Vergünstigungen, wenn ich machte, was er sagte. Die Bestrafungen, die er mir androhte, waren wirklich lächerlich. Aber ich war klein und dumm und glaubte ihm.« »Und dann wurdet ihr erwischt?«
    Er erstarrte bei ihrer groben Frage sofort. »Ja. Es war eine unangenehme Szene, die werde ich nie vergessen, wie sehr ich es auch versuche. Das unausgeglichene Gemüt meiner Mutter schlug über die Stränge, Cecilie. Sie wurde wirklich verrückt und starb im Jahr darauf. Auch an ihrem Tod gab ich mir die Schuld.« »Und der Diener?« »Er wurde gehängt.«
    »Oh, Alexander, durch was für ein Fegefeuer bist du gegangen!« Sein Schweigen war eine Zustimmung.
    Sie wandte sich eifrig an ihn. »Und nun verstehe ich deine Verzweiflung viel besser, als du entdeckt hast, daß du dich nicht in Mädchen verlieben kannst - sondern statt dessen in Jungen.«
    »Ja. Daß ich in der Kindheit vom Diener mißbraucht wurde, hat seine Spuren hinterlassen. Oder vielleicht war es auch meine Abscheu vor diesen Frauen. Oder die Geschichten meines Vaters mit anderen Frauen. Oder die vampyrartige Liebe meiner Mutter zu mir.« »Oder alles zusammen?«
    »Das ist am wahrscheinlichsten. Oder - nicht zu vergessen - meine angeborene Neigung. Davon wissen wir nichts. Und das, Cecilie…« Daran glaube ich nicht, dachte sie stur.
    Er hatte sich so weit wie möglich zu ihr gedreht und griff mit warnender Geste nach ihrem Haar. »Cecilie, nun hast du

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