Die Saga vom Eisvolk 06 - Das böse Erbe
Brei und alte, fast verschimmelte Brotkrusten. Niemals warmes Essen. Aber der Körper gewöhnte sich bald daran, mit wenig auszukommen.
Die erwachsenen Arbeiter wagten nicht, mit den Jungs zu sprechen. Sie wußten, daß die Kinder in aller Heimlichkeit hier arbeiten mußten, weil sie so wertvoll für den Betreiber der Grube waren, und daß es gefährlich war, mit ihnen zu reden.
Aber der kleine Neuankömmling versetzte sie in großes Erstaunen. Noch nie hatten sie eine hellere und freundlichere Stimme gehört - und dann die feine Sprache! Es war sehr dunkel hier unten in der Grube, die Pechfackeln verbreiteten nur wenig Licht, und die Gesichter der Jungs waren schwarz von Steinstaub - aber die Augen des Kleinen rührten sie.
Es war genauso, als lasse sich etwas Warmes und Gutes in ihnen nieder, wenn sie in diese Augen blickten. Und immer hatte er ein tröstliches Worte für einen, der sich verletzt hatte, immer begrüßte er sie morgens so begeistert.
Einer der Männer drückte es so aus: »Wenn das nicht das reine, unschuldige Lamm Gottes ist, freß ich 'nen Besen.« Sie steckten ihm Brot oder Wurststücke zu, die er sogleich mit den anderen teilte.
Und alle zusammen fanden es falsch, daß er hier unten war.
Aber versuchen, etwas zu ändern… Nein, das wagten sie nicht. Sie wagten nicht einmal, den Jungen daheim zu erwähnen, um nur nicht bei Hauber oder Nermarken in Ungnade zu fallen. Denn die mit den Jungen in Kontakt kamen, waren bloß Ausländer oder einfache Hauer, die keinerlei Einfluß hatten. Mattias hatte einmal einen von ihnen gebeten, eine Nachricht nach Grästensholm zu senden, aber da war der Mann so hastig fortgerannt, als wäre ihm der Leibhaftige auf den Fersen. Steiger Hauber hatte seine scharfen Augen überall. Und er war gefährlicher als eine Kreuzotter.
Den Gesprächen der Arbeiter entnahmen die Jungen, daß es Winter geworden war. Aber unten in der Grube veränderten die Temperaturen sich nicht viel. Dort herrschte immer dieselbe grimmige Kälte. Nur in der Nähe des Ofens war es warm. Ein wenig kälter wurde es aber doch im Winter - ob das von dem Wind kam, der durch die Stollen fegte, oder ob der Frost sich in dem Gebirge festgesetzt hatte, wußten sie nicht.
Knuts bellender Husten hallte durch die Nächte, und seine Gelenke wurden von der Gicht gepeinigt. Mattias kümmerte sich jeden Abend um seine aufgerissenen Hände und Füße und versorgte die großen, schmerzenden Wunden, so gut er es vermochte.
Sören schaute voller Verachtung zu und schimpfte, es sei nutzloser Unfug. »Was du da tust, hilft doch sowieso nicht!« Aber Kaleb half mit und ermutigte Mattias. Knut war immer schon schwächlicher als die drei anderen gewesen, er hatte den Strapazen nichts entgegenzusetzen. Sie sprachen oft darüber, von hier fortzulaufen, aber meist nur, wenn Sören nicht dabei war. Denn obwohl er nicht mehr ganz so begeistert darüber war, sich hier unten verstecken zu können, trauten sie ihm nicht so richtig. Er riskierte seinen Kopf, wenn er sich oben zeigte - und wenn die anderen es versuchten, würde er sie sofort verraten, das wußten sie. Das hatte er ihnen glaubhaft versichert.
Aber sie hatten einen Plan gefaßt, einen ganz und gar wilden und unmöglichen Plan, der ihnen trotz allem Zuversicht gab und ein Gefühl von Freude, wenn sie darüber fabulierten. Nur Sören durfte keinen Wind davon kriegen.
»Ach, wenn ich doch nur nach oben an die Sonne könnte«, seufzte Knut, »wenn ich nur ihre hellen, warmen Strahlen spüren dürfte! Dann würde ich nie wieder um etwas bitten.«
»Wir werden hier rauskommen«, sagte Mattias. »Wir kommen hier raus, das verspreche ich dir.«
Aber es kam nie jemand, mit dem sie hätten sprechen können. Wenn Inspektoren die Grube besuchten, wurden die Jungen eingesperrt, und die fremden Herren kamen niemals so nahe heran, daß es geholfen hätte, zu rufen oder gegen die Tür zu hämmern.
Trotzdem gab es, wie Kaleb gesagt hatte, ein paar Arbeiter, die freundlich zu den Jungen waren. Sie hielten sie auf dem Laufenden über alles, was oben in der Welt passierte, sagten Bescheid, wo Hauber sich gerade aufhielt, und ähnliches mehr.
Viele Male hatten die drei Jungen überlegt, ob sie nicht einfach weglaufen sollten, wenn Hauber nicht da war. Einmal hatten sie es versucht. Unten an der Leiter wurden sie von einem ausländischen Wachposten aufgehalten, und als Hauber zurück kam, gab es so viele Peitschenhiebe, daß ihre Wunden noch lange danach schmerzten, und
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