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Die Saga vom Eisvolk 06 - Das böse Erbe

Die Saga vom Eisvolk 06 - Das böse Erbe

Titel: Die Saga vom Eisvolk 06 - Das böse Erbe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Margit Sandemo
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Kolgrims Großmutter Sol, so wie sie auf dem Porträt aussah, das in der Halle von Lindenallee hing. Aber jetzt bewegte sie den Mund und die Augen. »Komm!« Dann war sie wieder verschwunden.
    Aber als Kolgrim erwachte, erinnerte er sich sehr gut an den Anblick. Je mehr er im Laufe des Tages daran dachte, desto nachdenklicher wurde er.
    Am Nachmittag kamen alle Bewohner von Lindenallee zu Besuch. Are, Tarjei, Brand, Matilda und der kleine Andreas. Die ganze Familie war im großen Saal versammelt. Kolgrim verdrückte sich leise nach draußen.
    In der Eingangshalle der Lindenallee war es dämmerig. Das letzte Sonnlicht fiel durch das Bleiglasfenster herein und tauchte den Fußboden und Teile des Raumes in ein mystisches Farbenspiel. Er studierte die vier Gemälde.
    Sols Augen sahen ihn unbewegt und geheimnisvoll an. Aber im Traum hatten sie ihn gerufen.
    Er musterte die Rahmen aller Porträts mit scharfem Blick. Sie waren vollkommen gleich. Er trat heran und befühlte die Leinwand. Da spürte er einen Unterschied!
    Die anderen Leinwände gaben leicht nach, wenn er darauf drückte, bis er gegen die Rückwand stieß. Sols Bild tat das nicht.
    Ermuntert begann er die Kanten des Rahmens abzutasten. Seine Finger glitten nervös über das Holz. Noch wagte er nicht zu hoffen. Da!
    Da war ein Haken, so klein, daß er ihn zunächst gar nicht bemerkt hatte. Er drückte ihn, und der Haken sprang auf.
    Das Bild bewegte sich! Das ganze Gemälde mit Rahmen und allem schwang durch Scharniere auf… und gab dahinter eine Tür frei.
    Wenn die jetzt verschlossen ist, sterbe ich vor Enttäuschung, dachte Kolgrim.
    Aber sie hatte gar kein Schloß. Ganz leicht ließ sie sich aufdrücken. Kolgrim hielt den Atem an.
    In der Halle war es jetzt dunkel, und noch dunkler in dem Raum hinter dem Bild. Aber er strengte seine Augen bis zum Äußersten an, und da entdeckte er einen prall gefüllten Lederbeutel.
    Er steckte eine Hand in den Beutel und holte etwas heraus.
    Ungewollt schnitt er eine Grimasse. Es war das eingetrocknete, überaus intime Körperteil eines Mannes, vermutlich eines gehängten Verbrechers. Kolgrim legte es schnell zurück. Aber er hatte den Schatz gefunden!
    Und er war im Besitz besonderer, bis dahin unentdeckter magischer Fähigkeiten. War er etwa nicht in Verbindung mit seiner Großmutter getreten? Und sie hatte ihm sofort geholfen.
    Auf einmal fühlte Kolgrim sich unendlich stark. »Ich wußte es«, flüsterte er. »Ich wußte, daß ich der Größte aller Auserwählten bin! Einer, wie ihn die Welt bisher noch nicht gesehen hat. Jetzt ist er gekommen, Menschheit! Und er ist furchtbar!«
    Aber er wollte all das hier jetzt nicht anrühren. Es war besser, damit zu warten, bis Tarjei abgereist war. Das konnte jetzt jeden Tag soweit sein. Tarjei war gefährlich. Man wußte nie genau, was er alles konnte und wieviel er begriff.
    Manchmal fragte Kolgrim sich, ob Tarjei nicht auch ein Auserwählter war. Nur im umgekehrten Sinne, sozusagen.
    Nein, er war es wohl nicht. Tarjei hatte nichts von all dem Mystischen an sich, das alle wirklichen Erben von Tengel dem Bösen umgab. So wie Kolgrim selbst.
    Warte nur, Menschengeschlecht! Noch hast du nichts erlebt!
    Mit liebevollen Bewegungen schloß er die Tür und zog das Porträt wieder an seinen Platz. Nickte beruhigend seiner Großmutter zu, der schönen Hexe Sol.
    »Jetzt ist alles in Ordnung, Großmutter«, flüsterte er. Sein rechtmäßiges Erbe war endlich in seinem Besitz.

6. KAPITEL
    Und dann kam der denkwürdige Tag, an dem Dag die Kirche von Grästensholm passierte und dem Kutscher zurief:
    »Blas in dein Horn! Denn jetzt kommt der Verlorene, der lange Ersehnte heim!«
    Und der Kutscher blies. Jubelnde Fanfarenstöße hallten durch die Luft.
    Auf Grästensholm, beim Abendessen, hob Liv den Kopf. »Was ist das? Es hört sich an wie unser Horn.« »Ja, es ist unser Horn«, sagte Tarald.
    »O Gott, es wird Dag doch nichts zugestoßen sein?« »Nein, es hört sich an wie Freudensignale«, sagte Yrja. »Seht nur, dort kommen sie in wilder Fahrt.«
    »Nein, was soll denn das! Ist Dag verrückt geworden?« Verwundert gingen sie alle zusammen nach draußen auf die Treppe und sahen zu, wie die Kutschpferde den Weg zum Hof heraufgaloppiert kamen, immer noch unter durchdringenden Hornklängen. Der Wagen hielt auf dem Hofplatz. »Dag, bist du von Sinnen?« rief Liv.
    Er stieg aus, mit lachendem Gesicht, so jung hatte er schon seit vielen Jahren nicht mehr ausgesehen. »Ich habe ein paar

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