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Die Saga vom Eisvolk 06 - Das böse Erbe

Die Saga vom Eisvolk 06 - Das böse Erbe

Titel: Die Saga vom Eisvolk 06 - Das böse Erbe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Margit Sandemo
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waren nicht viele im Kirchspiel Grästensholm. Ganze zwei Monate war er fort gewesen, mit all den Fahrten und Aufenthalten. Viel zu erzählen hatte er seiner kleinen Familie - Brand, Matilda und Andreas. Kaum war er in die Allee eingebogen, sah er es. Die Linde, die so lange trockengestanden hatte, war fort. Nur ein dunkler Stubben war noch übrig.
    »Dag!« sagte er heiser. »O mein Gott, es ist Dag!«
    Ja, Dag war nicht mehr da. Es war so schnell gegangen, erzählte Liv. Ein neuer Schlaganfall, von dem er nicht mehr erwacht war. Er konnte nicht viel gemerkt haben - damit tröstete sie sich.
    Am Tag nach seiner Heimkehr stand Are zusammen mit Liv auf dem Friedhof. Liv schob ihre Hand unter seinen Arm.
    »Jetzt sind wir ganz allein, nur noch du und ich, kleiner Bruder.«
    Der kleine Bruder, der einen ganzen Kopf größer war als seine Schwester, sagte: »Ja. Weil wir vom Eisvolk sind. Zäh und stark. Wir haben viele einsame Jahre vor uns.« »Das war es, was Vater nicht ertragen konnte. Deshalb entschloß er sich, gemeinsam mit Silje aus dem Leben zu scheiden.« Are nickte nur.
    »Viele haben wir verloren, du und ich«, sagte Liv wehmütig. »Kinder und Enkelkinder. Alles nur wegen dieses bitteren Fluchs. Weißt du, Are, als Dag uns verließ, da verspürte ich eine solche Sehnsucht, ihm zu folgen.« »Das kann ich gut verstehen. Ich habe genauso gefühlt, als Meta starb. Aber unsere Kinder und Enkelkinder brauchen uns. Wir sind jetzt ihr einziger Halt.« »Ja, ich weiß. Und nun ist unser Maß an Tragödien doch sicher voll, meinst du nicht?«
    »Ja. Jetzt sollte es für eine Weile genug sein.«
    Liv war in Gedanken versunken. »Weißt du was, Are? Seit vielen Jahren schon habe ich Angst um Dag gehabt. Ich wußte, daß seine Zeit ablief. Und ich war überzeugt, wenn er stirbt, dann breche ich zusammen. Aber tatsächlich bin ich jetzt viel ruhiger. Voller Trauer - aber ruhiger.« »Ja, das ist ganz natürlich.«
    Sie schwieg. Dann sagte sie: »Wir haben doch so viel, über das wir uns freuen können, nicht wahr?« »Und ob wir das haben!«
    Liv sagte vorsichtig: »Ich habe das Gefühl, Brand und Matilda verstehen sich gut?«
    »Ja, es geht viel besser als erwartet. Matilda ist eine prachtvolle Frau. Und deine Kinder sind auch gut verheiratet.«
    »Das sind sie wirklich! Yrja habe ich schon immer sehr gemocht, und Alexander ist ein wunderbarer Mann.« Etwas zögernd fügte sie hinzu: »Cecilie hat einmal etwas angedeutet… woraus man schließen könnte, daß sie anfangs einige Schwierigkeiten miteinander hatten, aber es schien nichts zu sein, was ihre gegenseitige Zuneigung betraf… Nein, ich bin daraus nicht schlau geworden, und ich wollte auch nicht nachfragen. Eltern sollten sich nicht in alles einmischen, dieser Meinung war ich schon immer.«
    Sie blieben vor dem Familiengrab derer von Meiden stehen. Wieder wanderten ihre Gedanken zu Dag. »Wie ich sagte, ich habe es ja schon lange geahnt, daß es passieren würde«, sagte Liv. »Die Linde, weißt du.« »Ja. Ich habe mir unsere eigenen Lindenbäume angesehen, Liv. Die beiden letzten, die von den acht noch übrig sind. Sie sind gesund und stark, alle beide.«
    »Ja. Ich danke dem Herrgott dafür, daß Mutter es geschafft hat, Vater aufzuhalten - so daß er nicht noch mehr Linden in der Allee verhexen konnte.«
    Sie mußte plötzlich lachen. »Seltsam, daran zu denken. Jetzt bin ich der einzige Mensch auf der ganzen Welt, der das Tal des Eisvolks gesehen hat. Als es dort noch Häuser und Menschen gab, meine ich.« »Ja. Wie geht es übrigens Kaleb?«
    »Er hat zumindest eine solide Basis. Er hat sehr schnell Lesen und Schreiben und Rechnen gelernt. Und Dag konnte ihm in diesen drei kurzen Jahren noch unglaublich viel beibringen.« »Will er weiter studieren?«
    »Es gibt keine Schule, die ihn aufnehmen würde. Aber Dag hatte bereits dafür gesorgt, daß er eine Anstellung am Gemeindegericht erhält. Eine untergeordnete Stellung natürlich, aber Kaleb will versuchen, sich langsam hochzuarbeiten.« »Ein guter Junge, der Kaleb.«
    »Ja, das ist er. Mattias und er sind so enge Freunde. Gut für Mattias, daß er ihn hier hat, sonst wäre er ziemlich einsam. Natürlich kommt Andreas manchmal von Lindenallee herauf, und dann kannst du darauf wetten, daß die drei Jungen ihren Spaß haben! Andreas ist ja ansonsten auch ziemlich allein, oder nicht?«
    »Das ist er wohl, ja. Leider haben wir ja die Angewohnheit, nur wenige Kinder zu bekommen. Nicht allen gelingt ein

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