Die Saga vom Eisvolk 07 - Das Spukschloß
einfach etwas erfinden, nur damit es Euch besser gefällt! Es ist die Wahrheit, so erbärmlich sie auch ist.« »Antwortet einem Mann der Krone höflich!« wies ihn der Vogt zurecht und sah den Jungen mit verschlagenem Blick an. »Diese Träume… kam da ein Messer drin vor? Oder ein Mord?«
»Nein, ganz im Gegenteil! Ich war der Tote. Auf dem Weg ins Reich der Toten. Nein, kein Messer.« »Aber es handelte sich um den Tod?« »Ja. Meinen.«
»Hhm«, murmelte der Vogt. »Da wollen wir mal sehen! Ihr wißt also nicht was geschah, als Ihr … wie kann man es nennen? Berauscht? Vergiftet? Oder einfach betrunken wart?«
Tancred fühlte einen ekligen Klumpen im Hals und konnte nur mit Mühe klar sprechen. »Ich sage doch, ich weiß gar nichts!«
»Nein«, sagte der Vogt nachdrücklich. »Ich verstehe.« »Mein Sohn doch nicht!« jammerte Cecilie. »Tancred tut nichts Böses.«
Voller Angst dachte sie an den lebensfrohen Tancred, der plötzlich zu einer der dunklen Gestalten des Eisvolkes geworden war. Sie mußte an den unglücklichen Kolgrim denken.
Sie erschauerte heftig. Alexander bemerkte es, und er konnte ihrem Gedankengang gut folgen.
»Aber wer war die Herzogin«, fragte Alexander laut, auch er nicht ganz Herr über seine Stimme. »Ihr Mann hat sie rausgeworfen. Holzenstern hat sie von seinem Gut gewiesen. Warum?«
»Sie… war nicht gut«, sagte Molly und sah zu Boden. »Auf welche Weise?«
Der Vogt antwortete widerwillig. »Bei uns sind ihretwegen ein paar Anzeigen eingegangen. Von wütenden Frauen hier aus der Gegend. Es sieht so aus, als ob sie … um es vorsichtig auszudrücken… sich nicht von den Männern fernhalten konnte.« »Ach, es gibt wohl viele Frauen, die …«
»Nicht so wie sie. Sie brauchte die. Ununterbrochen.« »Aha«, murmelte Alexander. »Da kann sie einem nur leid tun.«
»Könnte sie. Aber sie war auch sonst nicht sehr angenehm. Sie mochte die Leute gerne herumkommandieren, sie ärgern und schikanieren. Sie dachte nur an sich selbst.«
Cecilie sah auf die pathetische Gestalt nieder, die wieder notdürftig zugedeckt unter den Schafsfellen lag. »Sie muß einmal sehr anziehend gewesen sein.«
»Das war sie«, räumte der Vogt ein. »Ungemein verlockend.«
Tancred nickte. »Und beängstigend! Ich hatte Todesangst vor ihr.«
»Laßt uns von hier verschwinden«, bat Molly. »Ja«, sagte der Vogt. »Wir werden versuchen, die Tür wieder einzusetzen, bis ich mit meinen Leuten das hier näher untersuchen kann. Inzwischen werden wir Neu-Askinge einen Besuch abstatten.«
Er hörte sich drohend an. Cecilie konnte sich nicht helfen, aber sie war doch sehr erleichtert, daß er seine Aufmerksamkeit anderen Dingen zuwandte als ihrem Sohn.
Sie und auch Alexander wußten, daß Tancred das hier niemals hätte tun können, auch wenn er noch so sehr unter giftigen Rauschmitteln gestanden hätte. Aber es könnte sich als sehr schwierig erweisen, andere davon zu überzeugen.
Molly zeigten ihnen jetzt einen anderen Weg, den Hauptweg vom Schloß, den Tancred in der Nacht nur flüchtig gesehen hatte. Aber dem Mädchen ging es jetzt so schlecht, daß Cecilie resolut sagte:
»Macht es etwas, wenn ich Molly mit mir nach Hause nehme und sie ins Bett stecke? Das hier ist nicht zu verantworten!«
Die Männer nickten, und Molly zeigte ihnen den Reitweg nach Askinge. Es sei nicht schwierig, den Weg zu finden, er gehe immer geradeaus, sagte sie noch.
Selbst nahm sie zusammen mit Cecilie den Weg, den sie gekommen waren. Tancred winkte ihnen nach. Ihm war jetzt ziemlich verdrießlich zumute, nachdem er die ganze Zeit über eine so schlechte Figur abgegeben hatte. In Mollys Augen wollte er so gerne ein Held sein, nur konnte man das jetzt nicht gerade behaupten, so, wie er sich in den letzten Tagen aufgeführt hatte.
Die drei Männer ritten durch das schöne Eichengehölz nach Askinge. Sie sprachen nicht viel, ihre Gedanken waren zu verwirrt und verwundert.
Wenn nun Tancred nicht die Herzogin ermordet hatte… wer dann?
Irgend jemand mußte sie auf Alt-Askinge untergebracht haben, um dort mit ihr seine Schäferstündchen zu verbringen.
Laut sagte Tancred: »Jetzt erinnere ich mich. Als ich an die Tür klopfte, antwortete sie sofort ›komm herein‹, ohne überrascht zu sein. Und es standen auch zwei Weinbecher bereit.«
Alexander nickte: »Offensichtlich hat sie jemanden erwartet.« Das mußte sogar der Vogt einräumen. Dann sagten sie nichts mehr.
Sie kamen an noch einem See vorbei. Dieser hier
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