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Die Saga vom Eisvolk 08 - Die Henkerstochter

Die Saga vom Eisvolk 08 - Die Henkerstochter

Titel: Die Saga vom Eisvolk 08 - Die Henkerstochter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Margit Sandemo
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Kehle setzen.«
    »Daran zweifle ich keine Sekunde. Wenn sich erst etwas in Eurem hölzernen Schädel festgesetzt hat, geht es nie wieder raus.«
    Joel Nachtmann meldete sich klagend. »Kann ich jetzt meine Ruhe haben? Ich bin ein kranker Mann und muß mich erholen.«
    Das konnten sie verstehen. Als sie gingen, sagte Mattias zu Hildes grenzenloser Erleichterung:
    »Dann kommen wir morgen wieder, wie besprochen.« »Und geh heute abend nicht mehr nach draußen«, warnte Andreas. »Verschließ die Tür sorgfältig!«
    »Ja, danke«, flüsterte sie. Zu ihrem eigenen Ärger knickste sie vor ihm. »Könnte ich… Euch bitten, den Stall richtig zu verschließen? Falls wirklich… Ungeheuer unterwegs sind, verschonen sie auch Kühe nicht.« »Natürlich«, sagte Brand ernst. »Möchtest du, daß einer von uns heute nacht hierbleibt?«
    Da überzogen sich ihre Wangen mit flammender Röte. »Ach nein, das ist nicht nötig«, hauchte sie und meinte doch genau das Gegenteil.
    Als sie gegangen waren, rückte Hilde den Schrank vor die Tür. Dann hängte sie die Wäsche wieder auf die Leine und ging zu Bett. Sie sprach ein Gebet zum Schutz vor den bösen Mächten der Dunkelheit, rollte sich zusammen und versuchte, ganz nüchtern zu denken.
    Du bist die Tochter des Henkersknechts, ermahnte sie sich streng. Du stehst auf der untersten Stufe der Gesellschaft. Niemand will dich haben. Wie kannst du da an einen Mann von Lindenallee denken?
    Doch, laß mir meine Träume! Ich hatte so wenige in meinem Leben. Und sie schaden keinem anderen. Solange ich nur dafür sorge, daß sie Träume bleiben. Am nächsten Morgen war sie früh auf den Beinen, damit alles fertig war, wenn sie kamen. Eine kribbelnde Spannung erfüllte sie, als sie den aufgegangenen Teig knetete und ihn in den großen, heißen Backofen schob. Um den Vater nicht zu wecken und neugierige Fragen zu riskieren, ging sie die ganze Zeit auf Zehenspitzen. Dann eilte sie hinaus in den Stall.
    Es war immer noch dunkel draußen, und sie hatte große Mühe, die Stalltür aufzubekommen, bis ihr einfiel, daß die Männer sie ja extra sorgsam verschlossen hatten. Da warf sie einen erschrockenen Blick zum Wald hinüber, beruhigte sich dann aber wieder mit dem Gedanken, daß ein solches Ungeheuer wohl kaum in der Morgendämmerung unterwegs war - und warum sollte es gerade jetzt kommen? Es war schon lange her, daß die Toten in ihre ungeweihten Gräber dort drüben auf der Wiese gelegt worden waren. Die letzte hatte vielleicht eine Woche dort gelegen, wie Mattias von Meiden meinte, der freundliche Doktor. War jetzt eigentlich Vollmond?
    Hilde mühte sich mit dem Querbalken. Endlich ging die Tür auf. Sie schlüpfte rasch hinein und hakte sie fest. Zündete die Laterne an der Wand an.
    Es war friedlich und angenehm in dem dunklen Stall. Die Kuh schenkte ihr einen zutraulichen Blick, und die Katze drückte sich an ihre Beine. Sofort kamen die Hühner angetrippelt. Ihre Freunde. Bisher die einzigen Freunde, die sie hatte.
    Obwohl sie sich nach Kräften beeilte, brauchte die Morgenarbeit ihre Zeit. Es störte sie nicht besonders, daß es erschütternde Ereignisse waren, die zu den Veränderungen in ihrem Leben geführt hatten. Nachdem sie bisher einen endlosen Strom grauer, trostloser Tage hinter sich und vor sich gesehen hatte, spürte sie nun mit jeder Faser ihres Körpers, daß sie lebte.
    Diese freundlichen, verständnisvollen Männer… Andreas und Brand vom Eisvolk. Doktor von Meiden. Und der große, blonde Kaleb, bei dem man sich geborgen fühlen konnte.
    Hildes Leben war reich geworden, so reich. Die vier Frauen hatte sie nicht gekannt, sie wußte nichts von ihnen, außer daß sie gestorben waren, einen tragischen Tod erlitten hatten. Mußte sie da ein schlechtes Gewissen haben, weil sie sich freute? Dem Vater war es übel ergangen, das stimmte, aber er würde bald wieder gesund sein. Da hatte sie ja wohl das Recht, sich endlich einmal wie ein lebendiges Wesen zu fühlen, das der Menschheit angehörte. Keiner von ihnen hatte sie verhöhnt.
    Danke, gütiger Gott, daß du voller Gnade das erbärmlichste deiner Geschöpfe angeblickt hast! Es war schon hell draußen, als sie endlich alle Tiere versorgt hatte. Das Brot mußte inzwischen auch fertig sein.
    Wenn sie nur alles schon geschafft hätte, bevor sie kamen! Sie war so aufgeregt, daß ihre Hände zitterten, und alle Versuche, die Stalltür wieder fest zu verschließen, schlugen fehl.
    Der Vater schlief immer noch, als sie hereinkam.

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