Die Saga vom Eisvolk 08 - Die Henkerstochter
sieht zweifellos ziemlich schlecht aus. Dann müssen wir die Sache wohl mal in die Hand nehmen«, sagte Andreas und tat so, als wolle er sich in einem Anfall von Tatkraft die Ärmel aufkrempeln. »Nein, Spaß beiseite, ich bin gekommen, um eine traurige Angelegenheit mit euch zu besprechen.«
»Laß hören«, sagte Kaleb. »Wir haben Übung, was Sorgen betrifft. Wir haben fünf Wildfänge, die uns in der Hinsicht auf Trab halten.«
»Nun, ich habe tatsächlich an eine kleine Entlastung für euch gedacht.« »Ach ja?« »Es geht um Hilde. Joel Nachtmann hat sich aufgehängt.« »Was sagst du da? Wann?« »Heute morgen.«
»Das ist ja merkwürdig«, sagte Kaleb. »Er war gar nicht der Typ dazu.«
»Nein. Aber wir machen uns Sorgen wegen Hilde. Sie kann dort oben nicht alleine bleiben, nicht jetzt, wo so viele unheimliche Dinge passieren. Als haben wir gedacht, sie könnte doch vielleicht hier wohnen. Bei der Arbeit mit den Kindern helfen. Sie könnte ihre Haustiere mitbringen und was sie an Möbeln sonst noch behalten will, und ein eigenes Zimmer bewohnen. Ich habe noch nicht mit ihr darüber gesprochen, ich wollte erst einmal hören, was ihr davon haltet.«
»Das paßt ja ganz ausgezeichnet«, sagte Gabriella. »Ich bin manchmal abends so erschöpft, daß es mir angst macht.«
»Ja«, sagte Kaleb. »Die arme Hilde, es bricht aber auch alles auf einmal zusammen. Natürlich kann sie hier wohnen! Bring sie gleich her!«
»Ich danke euch, ich werde es ihr sagen. Und jetzt muß ich schnell zurück…«
»Ich komme mit«, sagte Kaleb. »Hört sich böse an, das mit dem Nachtmann.«
»Das tut es«, sagte Andreas trocken und hielt auf dem Weg nach draußen Ausschau nach Eli. Er entdeckte sie unten am Seeufer zusammen mit den Kindern. Lange hoffte er, sie würde sich umdrehen und winken, aber dann konnte er anständigkeitshalber nicht länger rückwärts gehen. Kaleb könnte anfangen, sich zu wundern.
Hilde sah sie die Lindenallee heraufkommen, gleichzeitig mit dem Vogt, der auf seinem Pferd daher galoppierte. Sie sah Andreas an und schämte sich, weil sie nicht ausschließlich an den Vater dachte, der jetzt tot, allein und vergessen in einer Scheune lag. Sie kamen alle zugleich herein.
»Ich habe die Nachricht bekommen«, rief der Vogt. »So, also war es doch Joel Nachtmann! Ja ja, das Gewissen hat ihn wohl zu schwer gedrückt.«
»Ganz so ist es wohl nicht gewesen«, sagte Mattias sanft. »Er hat es nicht selbst getan.« »Was?« sagte der Vogt. Hilde schnappte nach Luft.
»Er wurde zuerst totgeschlagen«, erklärte Mattias. »Es ist sehr schnell gegangen, vermutlich hat er geschlafen und nichts gemerkt.«
»Ich muß schon sagen«, sagte der Vogt bestürzt. »Und dann hat man ihn aufgehängt? Damit es so aussehen sollte, als ob… Ja, ich sage ja, manchmal ist es gut, einen Arzt dabeizuhaben.«
Das waren die ersten anerkennenden Worte, die sie von diesem Mann hörten. Hilde hatte sich hingesetzt. »Aber wer.. .?«
»Wieder die Leute aus dem Dorf, vermutete der Vogt. Er war schnell bei der Hand mit seinen Schlüssen. »Das ist wenig wahrscheinlich«, wandte Andreas ein. »Die sind inzwischen bestimmt viel zu verschreckt.« »Aber wer könnte dann… ?« begann Hilde.
»Tja«, sagte der Vogt mit schleppender Stimme. »Wir waren ja gestern zu mehreren dort. Und Joel Nachtmann verkündete, daß er im Frühjahr etwas gesehen hatte. Ein Pferd und einen Wagen. Vielleicht hat es der Besitzer von Pferd und Wagen mit der Angst gekriegt?«
»Nun hört aber wirklich auf, brach es heftig aus Brand heraus. »Wir waren zu viert dort, mein Sohn und ich und der Doktor und Kaleb.«
»Und Hilde«, sagte der Vogt unbeeindruckt. »Seltsam, daß sie nichts gehört hat!«
»Das ist meine Schuld«, sagte Hilde. »Alles ist meine Schuld. Ich habe die Stalltür verriegelt während des Melkens, aber an die Haustür habe ich nicht gedacht.« »Wir sollten jetzt keine übereilten Schlüsse ziehen«, sagte Andreas. »Hilde, du kannst dort oben nicht alleine wohnen. Gabriella und Kaleb fragen, ob du nicht für eine Weile zu ihnen ziehen möchtest.« ,Aber ich kann doch nicht…«
Kaleb sagte mit einem munteren Lächeln: »Wir brauchen dich. Gabriella und Eli schaffen die Pflege der fünf Kinder nicht allein, jetzt wo unser Kindermädchen krank geworden ist und aufhören mußte.«
Hilde strich mit den Händen über ihren Rock. »Aber ich habe keine Ahnung, wie man mit Kindern umgeht.« »Magst du sie? Das ist die Hauptsache.«
Sie
Weitere Kostenlose Bücher