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Die Saga vom Eisvolk 08 - Die Henkerstochter

Die Saga vom Eisvolk 08 - Die Henkerstochter

Titel: Die Saga vom Eisvolk 08 - Die Henkerstochter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Margit Sandemo
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ernst. »Nein, aber das kann ich doch nicht verraten! Nachher nehmen sie mich nur des Geldes wegen.«
    »Liebe Hilde, vier Reichstaler erscheinen dir vielleicht überwältigend, und es ist ja auch keine kleine Summe. Aber reich bist du deswegen noch nicht. Und ich glaube, niemand muß dich des Geldes wegen nehmen. Du bist auch so anziehend genug.«
    Oh! Und das sagte er! Ihre Wangen glühten, und in ihrem Kopf drehte sich alles, so daß sie nicht mehr klar sehen konnte.
    »Und jetzt holen wir die Tiere«, sagte Andreas nüchtern. »Wenn du die Hühner und die Katze einfängst, kümmere ich mich um die Kuh.«
    Sie fand wieder zu sich selbst. »Ja. Natürlich«, murmelte sie und eilte hinaus.
    Im Wagen auf dem Rückweg war sie so aufgedreht, daß sie nicht still sein konnte.
    »Ich weiß gar nicht, ob ich froh oder traurig darüber bin, daß ich das Haus jetzt verlasse«, sagte sie schnell und atemlos. »Ein bißchen wehmütig fühle ich mich natürlich schon, und ich werde mich nicht umdrehen, und ich bin aufgeregt, weil ich ein neues Zuhause bekomme, aber es ist auch ein schönes Gefühl. Ich hätte mich sicher nicht getraut, nachts dort zu bleiben.«
    »Nein, das kann ich gut verstehen. Und morgen nachmittag gehst du ja noch einmal dort hinauf.« »Ja«, sagte sie still.
    »Deine Mutter war sicher eine gute Frau?« fragte Andreas vorsichtig.
    »Oh ja! Sie war sehr belesen und hat mir Lesen und Schreiben beigebracht und alles über Geschichte, und sie erzählte Märchen und… «
    Die Worte sprudelten nur so aus ihr heraus. Sie redete wie ein Wasserfall, alles wollte sie ihm erzählen. Nach vielen Jahren des Schweigens hatten sich nun alle Schleusen geöffnet.
    Andreas blieb nichts anderes übrig als schweigend dazusitzen und zuzuhören. Hinter den Erzählungen über die Mutter und später die vielen Jahre zusammen mit dem Vater auf dem winzigen Hof hörte er einen Ton heraus, der von Einsamkeit, Sehnsucht und so mancher Verzweiflung sprach. Hilde sagte nichts von alledem, natürlich nicht, sie erzählte nur von den armseligen kleinen Erlebnissen, die sie gehabt hatte: Rehe, die ihr fast aus der Hand gefressen hatten, Winterstürme, die fast das Dach von der Hütte gefegt hätten, Leute, die vorbeigegangen waren…
    Andreas ließ das Pferd anhalten. »So! Nun sind wir auf Grästensholm.«
    Beim Anblick des imponierenden Gutshauses erwachte sie. »Ach herrjeh, was ich bloß rede«, sagte sie, errötend vor Scham.
    »Es war sehr schön, dir zuzuhören. Schau, da kommt Mattias. Du kannst hierbleiben, dann bringe ich die Tiere hinunter nach Elistrand.«
    »Aber soll ich nicht lieber mitkommen und… » »Heute sollst du dich ausruhen. Es war ein langer und schwerer Tag für dich. Wir sehen uns später.« So blieb sie mit leeren Händen zurück, während der Wagen mit der Kuh im Schlepptau davon fuhr. »Willkommen auf Grästensholm, Hilde«, empfing Mattias sie lächelnd.
    Verwirrt blickte sie zu ihm hoch. Wer war das? Ach ja, der Doktor, Mattias von Meiden. Sein Blick sorgte dafür, daß sie sich entspannte. Sie lächelte und ging mit ihm ins Haus.
    »Wir sehen uns später«, hatte er gesagt. Mehr brauchte Hilde nicht zum Leben.
    Im Haus traf sie auf Liv und Tarald und Yrja, in Zimmern von einer Größe, daß die winzige kleine Waldkate wohl zwanzigmal hineingepaßt hätte. Sind denn alle diese Menschen gleichermaßen herzensgut und anständig? dachte sie verwundert. Vorher war ihr nur Bosheit begegnet. Und jetzt nur Güte.
    War es deswegen, weil ihr Vater tot war? Oder waren sie immer so?
    Diese wirklich edle alte Dame, zum Beispiel. Die Großmutter von Herrn Mattias. Konnte es ein schöneres altes Gesicht geben als dieses? Diese lebenskluge Wärme in den Augen. Die Falten, die nur von Freude und Freundlichkeit erzählten. Es war unmöglich, ihr Alter zu erraten, weil ihre Lebhaftigkeit und ihre Bewegungen sie so offen und jugendlich wirken ließen.
    Und dann seine Eltern. Der gutaussehende Vater, der wohl versuchte, mehr Souveränität auszustrahlen, als er besaß, und die Mutter, so liebevoll und fürsorglich, daß Hilde erst viel später bemerkte, daß sie eigentlich häßlich und unförmig war. Aber das war ganz unwichtig. Sie war auf gewisse Weise trotzdem schön.
    Hilde fühlte sich in dieser Gesellschaft wohl, trotz des enormen standesmäßigen Abstands zwischen ihnen. Sie schämte sich ganz schrecklich, daß sie so ununterbrochen auf Andreas eingeredet hatte. Aber sie hatte es nicht aufhalten können, es war

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