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Die Saga vom Eisvolk 08 - Die Henkerstochter

Die Saga vom Eisvolk 08 - Die Henkerstochter

Titel: Die Saga vom Eisvolk 08 - Die Henkerstochter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Margit Sandemo
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werden wird?« »Nein, aber das steht doch außer Frage!«
    »Wieso denn? Du bleibst doch nicht dein ganzes Leben lang die Tochter des Henkersknechts. Die Erinnerung an deinen Vater wird in Vergessenheit geraten, wenn die Leute merken, daß du eine eigene Persönlichkeit hast, einen eigenen Wert. Und dieser Wert ist ungewöhnlich hoch, Hilde.«
    Sie hatten die Kirche hinter sich gelassen und waren unterwegs hinauf zum Wald. Sie folgten einem Graben zwischen zwei Äckern, auf denen das Korn so hoch stand, daß es ihnen bis zur Brust reichte.
    Sie lachte. »Wir müssen ein seltsamen Bild abgeben. Zwei Köpfe auf zwei Schultern, die sich durch ein Meer aus Roggen bewegen.« »Ja«, lächelte er.
    »Ich danke Euch für Eure freundlichen Worte, Herr Mattias«, sagte sie, nun etwas ernster.
    »Bitte, Hilde, sag Du zu mir! Ich mag dieses Herr Mattias' nicht. Nicht wenn es von dir kommt.«
    Sie neigte nur graziös den Kopf, als Zeichen, daß sie einverstanden war.
    »Du sprichst oft von deiner Sehnsucht«, sagte er. »Hast du dich immer gesehnt?«
    »Ich glaube schon. Aber als ich erwachsen wurde, änderten die Träume ihren Charakter.«
    »Ja, das verstehe ich. Ich habe auch meine Träume gehabt.«
    Sie drehte sich so abrupt zu ihm um, daß sie beinahe zusammenstießen. »Habt Ihr - äh, hast du? Solche wie ich?«
    Da lächelte er. »Was sind denn deine Träume?« »Nein, darüber kann ich nicht sprechen.«
    »Doch, genau das kann man sehr gut. Vergiß nicht, daß ich Arzt bin!«
    »Sind Ärzte denn anders als andere Menschen, was das betrifft?« »Das glaube ich nicht.«
    Das Kornfeld war zu Ende. Sie waren am Waldrand angekommen und folgten ihm. Eine leichte Sommerbrise brachte Bewegung in das Roggenfeld, so daß es aussah wie ein wogendes Meer.
    »Setz dich hier ins Gras, dann ruhen wir uns ein wenig aus«, sagte Mattias.
    Sie ließen sich auf einem Teppich aus Sommerblumen nieder. Glockenblumen, Roter Klee, Gänseblümchen, Ehrenpreis, Pechnelken, Schlangenkraut, Butterblumen und leuchtende Büschel von Vogelwicken.
    Hilde war steif und angespannt, die Situation war so völlig ungewohnt für sie. Seine Fragen machten es ihr auch nicht gerade leichter.
    »Laß uns über deine Gefühle als einsame, erwachsene Frau sprechen…
    »Nein, laß uns das nicht tun! Warum willst du das wissen?«
    »Weil ich dich mag und mich für dich interessiere! Jahr um Jahr hast du deinen gewiß nicht einfachen Vater umsorgt, mit unendlicher Geduld und einer grenzenlosen Selbstverleugnung. Aber im Grunde bist du überhaupt nicht so, Hilde!«
    »Woher weißt du das?« murmelte sie und fühlte sich unbehaglich.
    Er sah sie mit seinen blaugrünen Augen an, die so voller Menschenliebe waren. »Du bist aufgeladen wie eine Gewitterwolke, meine Liebe. Du glühst. Deine Augen, deine Gesichtszüge, deine Haltung, so angespannt, so verhalten - und nicht zuletzt die Art, wie du gehst. Die ist so sinnlich, daß ich kaum wage, dich in die Nähe der hungrigen Dorfburschen zu lassen, weißt du das?« Sie verbarg ihr Gesicht zwischen den Knien. »So etwas sollst du nicht sagen.« »Aber ich habe recht, oder etwa nicht?«
    Sie antwortete nicht darauf. Nicht sofort. Nach einer langen Pause sagte sie: »Ich weiß so wenig von… von… nun ja, nennen wir es Liebe. Es macht mir auch angst.« »Denkst du an Jesper? Daran, was er gemacht hat?« Sie schwieg. Dann sagte sie langsam: »Ja. Daran habe ich gedacht.« Impulsiv wandte sie sich zu ihm um. »Mit dir kann ich darüber reden, weil du Arzt bist und so viel Elend gesehen hast, und weil du so viel verstehst und weil ich… innerlich verbrenne an all dem, was ich nicht verstehe!«
    »Genau das habe ich mir gedacht, Hilde. Ich habe mir schon Sorgen gemacht. Daß so einer wie Jesper dich dazu bringen könnte, alle Hemmungen zu verlieren und dich im Feuer der Sinne zu vergessen.«
    Ihr Blick wandte sich wieder von ihm ab. Sie wollte nicht, daß er sie durchschaute. Jespers ungehöriger Annäherungsversuch hatte sie ja dazu gebracht, Dinge zu tun, die sie früher für undenkbar gehalten hatte. Er wußte zuviel, dieser Doktor von Meiden.
    Er sagte leise: »Liebe ist soviel mehr als das, was Jesper angedeutet hat. Die Liebe kann so schwindelerregend schön sein, übersinnlich, so rein, daß die Engel sie gutheißen würden.«
    »Ich weiß. So war sie in meinen Träumen - bis vor einigen Jahren. Da spürte ich, daß sie auch andere Seiten hat.« »Ist etwas… passiert?«
    »Nein. Ich sah die jungen Leute tanzen, auf

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