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Die Saga vom Eisvolk 08 - Die Henkerstochter

Die Saga vom Eisvolk 08 - Die Henkerstochter

Titel: Die Saga vom Eisvolk 08 - Die Henkerstochter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Margit Sandemo
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wissen, ob es eine Wache war - oder jemand anders. Einer, der ihr nichts Gutes wollte. Kaleb hatte gesagt, daß die ganze Gemeinde inzwischen über ihr Vorhaben Bescheid wußte. Dann mußte auch der Täter es wissen. Sie war an der Kirche vorbei.
    Die erste Etappe war geschafft. Aber die war auch die leichteste gewesen.
    Weit hinter ihr saßen Eli und Gabriella geborgen im warmen Haus. Hinter verschlossenen Türen. Niemand konnte ihnen etwas tun. Wenn sie nur auch dort wäre!
    Sie ging durch die Kirchenallee. Große Bäume auf beiden Seiten des Weges. Mit Stämmen so breit, daß ein Mann sich dahinter verstecken konnte.
    Oder wenn von oben etwas auf sie heruntersprang? Sie verzog den Mund zu einem kleinen, zitternden Lächeln. Wölfe kletterten nicht auf Bäume. Nein, gewöhnliche Wölfe nicht.
    Sie eilte durch die Allee. Hinter jedem Baum, hinter jedem Baum, hämmerte es in ihrem Kopf. Hinter jedem Baum kann es stehen. Es? Er, meinte sie natürlich.
    Zu beiden Seiten der Allee lagen offene, übersichtliche Felder. Aber jemand, der mit großen Sprüngen lief, konnte das offene Gelände rasch hinter sich bringen… Hätte nicht ein Mann in der Allee postiert sein sollen? Hatten sie den eingespart?
    Wieder draußen auf dem Weg. Gott sei Dank! Aber das schlimmste lag noch vor ihr.
    Wo der Pfad zwischen den Roggenfeldern begann, lag ein Mann auf Posten, das wußte sie. Deshalb ging sie ruhig dort entlang. Wenn er wirklich hier war .. . Nein, keine dummen Gedanken jetzt!
    Nachdem sie das schwierige Stück an der Kirche hinter sich gebracht hatte, entspannte sie sich, als wäre sie ein Schiff, das in ruhigeres Fahrwasser gekommen war. Hier befand sich ein Wächter in ihrer Nähe - hoffte sie - und das Gelände war verhältnismäßig übersichtlich. Die ganze Gemeinde war so still. Alle anderen waren drinnen, denn es war ja Vollmond.
    Was in Himmels Namen machte sie um diese Zeit hier draußen? Warum saß sie nicht daheim im sicheren Elistrand und plauderte gemütlich mit Eli und Gabriella? Die Augustnacht war ein wenig kühl. Aber das war es nicht, was sie erneut so angespannt zittern ließ, daß ihre Zähne aufeinander schlugen. Denn die offene Wegkreuzung hatte sie gleich hinter sich.
    Wenn sie nur dem Wachposten am Wegesrand leise zurufen könnte, daß er sich zu erkennen geben sollte! Aber das war ihr nicht gestattet.
    Jetzt kam eine schlimme Strecke. Der Pfad zwischen den hohen Roggenhalmen.
    Hier brauchte nur jemand blitzschnell aus dem Roggen zu springen, und niemand könnte es verhindern. Aber an dieser Stelle, so war es geplant, sollten die Männer dicht an dicht liegen.
    Bisher hatte sie noch keinen einzigen entdeckt. Das war ihre große Angst - daß niemand dort war. Nicht eine Menschenseele.
    Aber sie hatten es versprochen. Also waren sie bestimmt da. In ihrer Nähe. Das war ein tröstlicher Gedanke. Sie versuchte nicht mehr daran zu denken, was sie hier draußen in der mondkalten Nacht ohne Mondschein eigentlich zu suchen hatte. Sie dachte zurück an ihr früheres Leben und war ganz erstaunt, wie leicht es ihr gefallen war, »menschlich« zu werden.
    Damals, als Andreas und Mattias zur Waldkate kamen… War sie da nicht ein halbwildes Tier gewesen? Hatte sich versteckt. Ihr Gesicht verborgen. Nicht gewagt, mit ihnen zu sprechen.
    Aber die ruhige Freundlichkeit, die sie ihr entgegenbrachten, hatte ihr Lebensmut und Selbstvertrauen gegeben. Die ganze Familie hatte sie ganz selbstverständlich aufgenommen, und so voller Verständnis! Sie hatte gewagt, aus ihrem Schneckenhaus zu kommen. Und jetzt konnte sie sich nicht vorstellen, dorthin zurückzukehren. Sie war ein Mensch, sie genauso wie alle anderen in der Gemeinde, sie hatte Selbstachtung und Würde.
    Es war nicht zu leugnen: Der Tod des Vaters war eine wesentliche Ursache dieser Entwicklung gewesen. So schwer es fiel, das zuzugeben, aber es war einfach so.
    Ob es wohl stimmte, was er gesagt hatte, daß es ihm besser ergangen wäre ohne sie? Daß er wieder eine Frau gefunden hätte? Hätte sie dann nicht sechzehn Jahre vollkommen umsonst dort ausgeharrt - sechzehn verlorene Jahre?
    Nein, sie wußte, daß er sich darin geirrt hatte. Sicher waren sie einander auf die Nerven gegangen, aber sie erinnerte sich an einen Tag, als sie krank gewesen war. Wie wütend er da geworden war, er hatte sich nicht einmal etwas zu essen machen können, hatte nur die ganze Zeit herumgejammert, wie bedauernswert er doch sei. Hungrig hatte er dagesessen, keine hatte sein Bett

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