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Die Saga vom Eisvolk 08 - Die Henkerstochter

Die Saga vom Eisvolk 08 - Die Henkerstochter

Titel: Die Saga vom Eisvolk 08 - Die Henkerstochter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Margit Sandemo
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erwachsene, reife Frau dort lebte und niemanden hatte, mit dem sie sich treffen konnte. Und wie sinnlich sie auf ihn wirkte. Doch, das stimmte, sie hatte eine Menge drängender Gefühle in sich, ein Bedürfnis, jemanden lieben zu können, im doppelten Wort-Sinne. Und da hatte er ihr gestanden, daß er sie liebte. Sie hatte es damals nicht geglaubt - und auch jetzt zweifelte sie wahrhaftig noch daran! Warum war er nicht gekommen? Lag er wie die anderen irgendwo am Wege auf Wache? Sie glaubte es nicht. Mattias hätte all dem hier niemals zugestimmt. Wenn er sie liebte…
    Wie konnten so viele Männer sich so ruhig verhalten? Waren sie wirklich da?
    Jetzt wurde sie wirklich von Angst gepackt. Jetzt kamen die zwanghaften Gedanken zurück: Sie hatten sie zum Narren gehalten. Sie war ganz allein, ganz allein hier mitten im Wald. Alle anständigen Menschen gingen jetzt zu Bett, nachdem sie ihre Häuser sorgsam verriegelt hatten. Nur sie war noch draußen. Sie und noch einer… Welcher Hof lag am nächsten - falls sie vor einem undefinierbaren, unbestimmten Verfolger fliehen müßte? Lindenallee? Vermutlich. Wenn sie über das Ackerstück lief, wo Andreas die vier Leichen entdeckt hatte. Oder vielleicht Jespers Häuslerhof oben im Wald? Nein, dort war ja niemand zu Hause. Jesper hatte sich auf Grästensholm in Sicherheit gebracht.
    Grästensholm lag ebenfalls in der Nähe. Aber der Weg dorthin war beschwerlicher.
    Wenn es nötig werden sollte, dann Lindenallee. Obwohl sie es niemals schaffen würde, dort anzukommen, das wußte sie. Einem Menschen könnte sie vielleicht davonlaufen. Aber sie erinnerte sich noch gut an das unheimliche, hinkende, humpelnde Tier zwischen den Wacholderbäumen auf Elistrand. Dem würde sie nie entkommen können.
    Vor der finsteren Strecke am Wald blieb Hilde erneut stehen. Sie atmete mehrmals tief durch, um ihr pochendes Herz zu beruhigen.
    Sechzehn Jahre lang hatte sie in der Kate am Waldrand gelebt. Und nun war sie wie von Sinnen vor Angst, dorthin zurückzukehren?
    Mit klopfendem Herzen, jederzeit bereit, davonzurennen, ging sie auf den Wald zu.
    Dort war es vollkommen finster. Aber sie kannte den Weg, fühlte ihn mehr, als daß sie sah, wo sie ging. Hier drinnen war es totenstill. Ein kleines Geräusch, wenn ein Ast brach und auf den Boden fiel, erschien ihr wie ein Gewehrschuß, und sie mußte sich mit aller Macht dazu zwingen, weiterzugehen.
    Alles in ihr zog sich vor Furcht zusammen. Ihre Hände steif an den Körper gepreßt, die Finger zitterten, alle Nerven lagen blank. Ihr Nacken war so steif, daß sie langsam Kopfschmerzen bekam. Sie hätte am liebsten gerufen: Wo seid Ihr? Sagt mir, wo ihr seid, daß ihr überhaupt da seid! Daß ich nicht allein bin!
    Hatte sich dort in der Tiefe des Waldes etwas bewegt? Dann konnte es doch nur ein Wachtposten sein, oder? Das Stück durch den Wald zog sich unendlich lang hin. War sie vom Weg abgekommen und bewegte sich jetzt auf das Waldesinnere zu?
    Nein, da vorne konnte sie einen Lichtschimmer ausmachen.
    Das war's. Die allerschlimmste Strecke war geschafft. Angenommen, der Übeltäter hatte von all dem nichts erfahren - und war überhaupt nicht hier? Was, wenn sie den ganzen Weg ungehindert hin und zurück gehen konnte, ohne daß er sich zeigte?
    Diese Vorstellung war zweifellos sehr angenehm. Da erkannte sie das Gattertor in der Dunkelheit. Dort mußte ihrer Meinung nach ein Mann liegen, denn an der einen Seite standen einige unheimliche, große Birken. Sie hob zwei der obersten Gatterstangen aus der Verankerung und kletterte hinüber. Sie legte sie nicht wieder an ihren Platz - es war besser so, falls sie es auf ihrem Rückweg eilig haben sollte… Nun noch den kleinen Hügel hinauf.
    Die Anhöhe war gut einzusehen, niemand konnte sich in unmittelbarer Nähe verborgen halten. Aber man konnte ihr mit den Augen folgen. Augen, die in der Dunkelheit besser sehen konnten, als sie es vermochte.
    Jetzt hatte sie den winzigen Hofplatz erreicht, den sie so gut kannte von den unzähligen Winterabenden her, als sie nach dem Melken ins Haus geeilt war. Und von den Wintermorgen, ebenso dunkel… Da hatte sie sich doch auch nie gefürchtet? Oder hatte sie es doch? Hatte sie schon damals Angst verspürt? Hilde erinnerte sich nicht mehr.
    Hier sollte Andreas postiert sein. Die genaue Stelle hatte er nicht genannt. Es gab so viele Verstecke.
    Oh Gott, mach, daß er sich zu erkennen gibt! Ich brauche das Gefühl menschlicher Nähe, ich will eine Stimme hören, und

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