Die Saga von Thale 01 - Elfenfeuer
Vhait legte ihr mit beschwörender Geste den Finger auf die Lippen und deutete voraus.
Zwischen den Bäumen, etwa hundert Schritte entfernt, lagerte eine Patrouille aus Nimrod. Die meisten Krieger schliefen. Sie hatten sich gegen die nächtliche Kälte fest in ihre Umhänge gewickelt und dicht am Feuer zusammengerollt. Auf einer abseits gelegenen Lichtung standen die Pferde der Krieger. Die sechs Tiere grasten friedlich im Mondlicht und wurden nur von einem einzelnen Posten bewacht.
»Wir haben wirklich Glück«, murmelte Vhait und stellte seinen Rucksack ab. »Ich werde versuchen uns drei der Pferde zu besorgen.«
»Wenn du glaubst, dass ich dich allein dorthin gehen lasse, damit du uns in aller Ruhe verraten kannst, hast du dich gründlich getäuscht«, knurrte Fayola und legte ihren Rucksack neben Vhaits. »Am besten, du bleibst hier und ich hole die Pferde.« Ohne Vhaits Antwort abzuwarten huschte sie davon.
»Diese Närrin!«, entfuhr es Vhait. Dann verschwand auch er in Richtung des Lagers.
Sunnivah folgte ihm nur wenig später.
Lange bevor sie die Pferde erreichte, hörte sie die Tiere nervös schnauben. Sunnivah ging hinter einem dichten Gebüsch in Deckung und spähte aufmerksam voraus. Im schwachen Mondlicht zwischen den Bäumen erkannte sie schon bald Fayolas schlanke Gestalt, die sich geduckt zwischen den Körpern der Tiere bewegte. Sie war gerade dabei, das erste Pferd von seinem Strick zu befreien, als der Wachtposten sie bemerkte. Geduckt schlich er sich von hinten an die junge Kriegerin heran und hob sein blitzendes Schwert zu einem tödlichen Hieb. Fayola hatte keine Chance. Eingezwängt zwischen den tänzelnden Leibern der Pferde blieb ihr nicht einmal genug Zeit, ihr eigenes Schwert zu ziehen.
Sunnivah war noch zu weit entfernt, um ihr helfen zu können, aber Vhait, der ihr ein paar Längen voraus war, handelte sofort. Ohne auf die Geräusche zu achten, die seine Bewegungen verursachten, hastete er durch das Unterholz und tauchte plötzlich hinter dem Wachtposten auf. Mit einer Hand hielt er dem überraschten Krieger den Mund zu, während er mit der anderen dessen Schwertarm nach unten zwang.
Fayola zögerte nicht. Mit einer kraftvollen Bewegung war sie auf den Beinen und zog ihr Messer. Ein kurzer Stich beendete das Leben des Kriegers, dessen erstickter Schrei nur als dumpfer Laut hinter Vhaits flacher Hand hervorquoll. Ein letztes Mal bäumte er sich auf und starrte mit weit aufgerissenen Augen zum Himmel hinauf, dann sackte er leblos zu Boden.
»Danke!« Fayolas brüchige Stimme war nicht mehr als ein Flüstern. Sie wollte noch etwas hinzufügen, doch Vhait bedeutete ihr zu schweigen. Eilig löste er die Stricke zweier Pferde und führte sie von der Lichtung, während Fayola ihm mit dem dritten folgte.
Sunnivah schloss zu ihnen auf, als die beiden in einem weiten Bogen um das Lager herumgingen. Sie war über den Verlauf der Ereignisse nicht gerade glücklich, sagte jedoch nichts. Trotz ihrer Ausbildung zur Kriegerin war sie dem Tod noch nicht sehr oft begegnet und das Leid in den Augen des Kriegers war für sie nur schwer zu ertragen gewesen.
Plötzlich huschte ein grauer Schatten im Zwielicht zwischen den Bäumen an ihnen vorbei auf das Lager der Krieger zu. Vhait und Fayola schienen ihn nicht zu bemerken, doch die Pferde spürten seine Nähe und zerrten unruhig an den Stricken. Eine braune Stute wieherte angstvoll und stieg in die Höhe, während die anderen nervös schnaubten. Sunnivah hörte Vhait fluchen und sah, dass er seine Schritte beschleunigte, um möglichst weit von dem Lager fortzukommen, bevor man sie bemerkte.
Sie waren noch nicht weit gekommen, als ein lang gezogenes Heulen durch den Wald hallte. Gleich darauf hörte Sunnivah die zurückgebliebenen Pferde wiehern und sah die Krieger am Feuer aufspringen.
Aber sie kamen zu spät! Die Pferde hatten sich bereits losgerissen und preschten in entgegengesetzter Richtung in den Wald hinein. Befehle wurden gebrüllt und entsetzte Rufe zeugten davon, dass die Krieger ihren toten Kameraden gefunden hatten.
Atemlos hasteten die drei Gefährten durch den Wald. Obwohl sie sich jetzt keine Mühe mehr gaben, leise zu sein, folgten die Krieger ihnen nicht. Ihre ganze Aufmerksamkeit konzentrierte sich auf die geflohenen Tiere.
»Sie werden euch nicht verfolgen.« Die Gedanken der Wölfin klangen überraschend nahe. Erstaunt wandte Sunnivah den Kopf. Unmittelbar neben ihr trottete das graue Tier und sah mit blitzenden Augen zu ihr
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