Die Saga von Thale 01 - Elfenfeuer
beständig vergrößerte, stimmten die Krieger in der Ebene einen monotonen, stampfenden Gesang an, der zunächst leise und dann immer lauter zu ihr hinaufklang.
Etwas würde geschehen.
Das rhythmische Stampfen und Singen der Krieger wurde immer schneller und steigerte sich zur Ekstase, als aus der glühenden Öffnung grelle Blitze zur Erde hinabzuckten.
Im selben Augenblick, als der Gesang seinen Höhepunkt erreichte, zerriss ein gewaltiger Funken sprühender Blitz, gefolgt von einem ohrenbetäubenden Donnerschlag, die Luft und fuhr mitten in das große Zelt hinein.
Geblendet schloss Shari die Augen und presste die Hände auf ihre Ohren. Ihr Kopf dröhnte und ihre überreizten Elfensinne drängten sie zur Flucht. Doch sie war fast unfähig sich zu bewegen. So presste sie sich dicht an den Boden und schob sich langsam rückwärts hinter die Hügelkuppe. Als sie das Gefühl hatte, so weit gekommen zu sein, dass man sie von der Ebene aus nicht mehr sehen konnte, rollte sie sich auf der harten Erde zusammen und schlief erschöpft ein.
Die Nacht ging ihrem Ende entgegen, als sie erwachte. Ein leises scharrendes Geräusch in unmittelbarer Nähe verriet ihr, dass sie nicht mehr allein war. Furcht stieg in ihr auf, denn wer immer dort neben ihr stand und darauf wartete, dass sie erwachte, konnte kein Freund sein.
Als sie endlich den Mut aufbrachte, die Augen zu öffnen, wünschte sie sich sogleich es nicht getan zu haben. Weniger als drei Schritte von ihr entfernt saß ein hünenhafter schwarzer Krieger auf einem Felsen. Der unheimliche Blick seiner rot glühenden Augen ruhte mit tödlicher Gelassenheit auf ihr. Er bemerkte sofort, dass sie erwacht war. Dennoch rührte er sich zunächst nicht.
Schlagartig wurde Shari klar, wie sehr sie die Gefahr unterschätzt hatte, in der sie sich befand, und wie unendlich dumm es von ihr gewesen war, nicht sofort zurückgekehrt zu sein, um ihr Volk zu warnen. Doch dem Elfenmädchen blieb keine Zeit, über seine Fehler nachzudenken.
Ein triumphierender Laut, der nichts Menschliches an sich hatte, klang plötzlich aus der Kehle des Kriegers. Die Eisenringe seiner schwarzen Rüstung klirrten und hartes Leder knarrte, als er sich erhob. Langsam kam er auf Shari zu, während er mit seiner gewaltigen, zweischneidigen Axt zu einem einzigen tödlichen Hieb ausholte.
Shari lag am Boden. Namenloses Entsetzen lähmte sie und ihre angstgeweiteten Augen sahen, wie sich die blitzende Klinge schnell und unerbittlich auf sie herabsenkte. Aus ihrer Kehle löste sich ein letzter verzweifelter Schrei, aber es gab niemanden, der ihr jetzt noch helfen konnte.
Als die Axt den schlanken Körper der jungen Nebelelfe berührte, verstummte sie und auf der Harfe im Thronsaal von Numark erklang eine klagende Weise. Selbst die Blumen im Garten des Palastes weinten und schlossen für einen Sonnenlauf ihre Blüten.
Erstes Buch
Die Prophezeiung
1
Es war ein trüber, wolkenverhangener Herbsttag und die Bäume und Sträucher im Garten ließen das graue Licht des späten Nachmittags noch dunkler wirken. Ein kühler, böiger Wind wehte vom Ylmazur-Gebirge herab und brachte in seinem Gefolge trockenes, braunes Laub mit sich. Unbarmherzig trieb er die unzähligen Blätter über die steinigen Straßen des Dorfes. Manche von ihnen versuchten sich vor der Gewalt des Windes hinter großen Steinen oder Häuserecken zu verstecken. Doch er fand sie schnell und gönnte ihnen keine Rast.
Gedankenverloren beobachtete Ilah ja das hektische Treiben durch das Fenster der kleinen Webstube, während das Tageslicht mehr und mehr schwand. Sie konnte ihren Blick nicht von der wilden Jagd vor dem Haus lösen, denn die kleinen braunen Überreste des vergangenen Sommers taten ihr Leid. Das prächtige grüne Gewand, welches sie den Sommer über getragen hatten, war verdorrt und zerrissen. Jetzt waren sie trocken und tot, doch sie schienen es nicht zu wissen und versuchten hilflos der zerstörerischen Kraft des Windes zu entfliehen.
… Überall war Feuer. Lodernde Flammen leckten mit feurigen Zungen an den tief hängenden Wolken und erhellten die alles verschlingende Finsternis über der Festungsstadt mit ihrem grellen Licht. Stinkender, schwarzer Rauch wälzte sich durch die schmalen Straßen von Nimrod und nahm den unzähligen Menschen, die dort schreiend umherirrten, die Sicht. Ihre Flucht wurde von den vielen Sterbenden und Verwundeten behindert, die zu Hunderten in den engen Gassen lagen und ihre Hände flehend
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