Die Saga von Thale 01 - Elfenfeuer
Herr, wenn ich Euch störe«, sagte er. »Mein Hauptmann schickt mich. Er hat noch keine Befehle erhalten, was mit den toten Kindern geschehen soll.«
Tarek war gereizt. Er machte eine wegwerfende Handbewegung und sagte: »Verbrennt sie. Wir haben keine Verwendung mehr für sie!«
»Ihr habt was?« Fassungslos starrte Vhait seinen Vater an. »Weißt du überhaupt, was deine Schlangenkrieger angerichtet haben, um die Kinder zu bekommen?« Seine Stimme überschlug sich fast, so aufgebracht war er. Tarek bedeutete ihm vergeblich zu schweigen. Nachdrücklich schob er seinen Sohn in das Arbeitszimmer und schloss rasch die Tür.
»Sie haben die Menschen eines ganzen Dorfes gequält, geschändet und ermordet«, schrie Vhait. »Und jetzt sagst du, dass ihr die Kinder gar nicht braucht!« Er schnaubte verächtlich. »Ich schäme mich! Ich schäme mich dafür, dass ich ein Krieger bin, und dafür, dein Sohn zu sein.«
»Beruhige dich, Vhait. Es ist nicht so, wie du denkst«, versuchte Tarek zu erklären. »Diese Kinder waren für uns sehr wichtig, doch die Dinge haben sich geändert und…«
»Ganz recht, die Dinge haben sich geändert«, fiel Vhait seinem Vater ins Wort. »Und sie werden sich noch weiter ändern, weil ich dies hier…«, mit einer raschen Handbewegung griff er an seine Schulter, riss das Rangabzeichen herunter und warf es Tarek vor die Füße, »… von nun an nicht mehr tragen werde.«
»Vhait, du weißt nicht, was du tust.« Tarek sah seinen Sohn erstaunt an. Dann bückte er sich, hob das Abzeichen auf und sagte einlenkend: »Ich kann mir denken, dass du in den letzten Mondläufen viel durchgemacht hast. Ruh dich erst einmal aus, Vhait, und überdenke alles. Solche voreiligen Entschlüsse sind niemals richtig. Wenn du…«
»Ich war blind!« Vhait hatte seinem Vater überhaupt nicht zugehört. »Ich war blind und taub. Ich wollte die Wahrheit nicht sehen, obwohl ich ihr an jedem Sonnenlauf meines Lebens begegnet bin. Kennst du sie, Vater?« Er erwartete nicht wirklich eine Antwort auf seine Frage und sprach sofort weiter. »Du kennst sie, nicht wahr? Aber du lebst hier ja gut, solange du nur An-Rukhbar gehorsam dienst. Und dafür sind dir alle Mittel recht.« Er trat ans Fenster und schaute hinaus. »Da draußen leben Menschen, Vater. Keine Aufrührer oder Verbrecher. Einfache Menschen! Sie sind freundlich und hilfsbereit und wollen nichts weiter als in Frieden leben. Und wir quälen sie. Wir beuten sie aus und verkaufen sie wie eine Ware an den Erhabenen, damit er uns in Ruhe lässt. WIR bringen Tod und Verderben in ihre armseligen Hütten. – WIR sind die Verbrecher, Vater.« Erschöpft ließ er sich in einen Sessel fallen und starrte in die Dunkelheit hinaus.
Tarek schwieg. Vhaits Wutausbruch wunderte ihn zwar, berührte ihn aber nicht. Nachdenklich drehte er das Rangabzeichen in der Hand und überlegte, wie er seinen Sohn umstimmen konnte.
»Es ist wirklich bedauerlich, dass du dich so vorschnell zu diesem Schritt hinreißen lässt«, begann er vorsichtig und ließ seinen Sohn nicht aus den Augen. »Gerade hatte ich mich entschlossen, dir den Oberbefehl über die Garnison in Daran zu geben.«
Auf Vhaits Gesicht zeigte sich nicht die geringste Regung. Sein Blick ruhte noch immer auf einem unsichtbaren Punkt hinter dem Fenster und seine Gedanken schienen weit weg.
»Du solltest darüber nachdenken, Vhait.« Tarek trat vor den Sessel und hielt seinem Sohn das Rangabzeichen entgegen. »In einer solchen Position kannst du viel Gutes für die Menschen tun, die dir plötzlich so sehr am Herzen liegen. Eine solche Gelegenheit kommt nicht so schnell wieder.«
»Da gibt es nichts zu überlegen!« Vhait war fest entschlossen. Tarek spürte die tiefe Bitterkeit hinter seinen Worten. Was immer er auch sagen mochte, er würde Vhait nicht erreichen.
»Dann geh!« Tarek deutete auf die Tür. »Wir haben uns nichts mehr zu sagen.« Vhait schwieg und betrachtete seinen Vater mit einem langen, schwer zu deutenden Blick. Dann drehte er sich um und verließ ohne ein Wort des Abschieds den Raum.
Ziellos wanderte Vhait an diesem Abend durch die endlosen Gänge der Festung. Überall traf er bekannte Gesichter und achtete sorgsam darauf, dass keiner etwas von seiner düsteren Stimmung merkte. Die meisten Menschen lächelten ihm im Vorübergehen zu oder sagten ein paar freundliche Worte. Manche klopften ihm auch kameradschaftlich auf die Schulter oder begrüßten ihn überschwänglich. Vhait spielte eine
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