Die Saga von Thale 02 - Die Macht des Elfenfeuers
die Tröpfchen wieder Feuer und senkten sich als winzige Flammen auf die Toten herab. Längst hatte die Nacht ihre schützende Decke über die Toten gebreitet, und so hatte es den Anschein, als wären am Boden plötzlich viele hundert Kerzen aufgeflammt.
Auch auf Ilumynhi, die Tabor noch immer in den Armen hielt, ließ sich ein leuchtendes Flämmchen nieder und glomm als winziger Funke der Hoffnung in der Dunkelheit. »Tabor!«, flüsterte Naemy, doch sie hätte ihn nicht zu erinnern brauchen. Ein letztes Mal hauchte er Ilumynhi einen zarten Kuss auf die Stirn. Dann setzte er sich auf und lockerte den Griff. Naemy hörte, wie er die Worte der Elfenpriesterin leise mitflüsterte, als Lya-Numi die Seelen der Verstorbenen freigab. »M ni ma shila Wir sind nicht getrennt. Na an bas sal an thent Ihu Nicht für immer, nur für kurze Zeit. Inti enia ma eglo Erwartet uns im Licht.« Obwohl Naemy es durch die Dunkelheit und den Nebel nicht mehr sehen konnte, wusste sie, was Lya-Numi tat. Noch einmal formte sie ihre Hände zu einer Schale, tauchte sie in das Wasser und hob sie vor den Mund. Nach einem andächtigen Moment des Zögerns blies sie das Wasser schließlich mit einem einzigen Atemzug den Sternen entgegen. Die Tröpfchen entflammten und stiegen wie eine lange Kette glühender Leuchtkäfer zum Himmel auf. Gleichzeitig verstärkte sich das Leuchten der Lichter am Boden und Naemy hörte Tabor aufkeuchen, als auch
Ilumynhis Flamme wuchs. Der Abschied war nahe.
Zunächst langsam, dann immer schneller lösten sich die Flammen vom Boden und folgten den vorauseilenden auf ihrem langen Weg, bis sich der feurige Schweif in der Dunkelheit zwischen den Sternen verlor. Auch von Ilumynhis Körper löste sich die Flamme und während ihre Seele mit ihren Brüdern und Schwestern himmelwärts strebte, verblasste ihre Gestalt.
»Ilumynhi! Nein! « Tabor schrie verzweifelt auf. Seine Arme waren so leer wie sein Herz und auch das Wissen um Ilumynhis Heimkehr vermochte ihn nicht zu trösten. Seine große Liebe war gegangen und alles, was ihm blieb, war die kleine Piluhiflöte.
Als die Flammen Caira-Dan verlassen hatten und ihr Licht mit dem der Sterne verschmolz, ergriff Naemy Tabors Hand und seufzte tief. »Sie ist frei! « , sagte sie mitfühlend. »Was uns bleibt, ist die Erinnerung. Solange wir sie in unserem Herzen tragen, sind jene, die gegangen sind, nicht wirklich tot.« Plötzlich packte Naemy ihren Sohn am Arm und ihre Stimme wurde hart. »Bei der Göttin, ich schwöre, dass ihr Tod nicht ungesühnt bleibt. Ich werde nicht eher ruhen, bis den feigen Mörder unserer Brüder und Schwestern sein gerechtes Schicksal ereilt.«
Drittes Buch
Tun-Amrad
»Du kommst spät!« Die Stimme das Abners klang freundlich, doch die Ungeduld war aus seinen Worten deutlich herauszuhören. Sayen, der den Ratssaal soeben betreten hatte, sah sich um. Die Priesterinnenmutter, Jukkon und zwei ranghohe Krieger hatten bereits an dem großen Tisch Platz genommen und blickten ihm aufmerksam entgegen. »Es tut mir Leid «, sagte er verlegen und deutete eine Verbeugung an. »Aber ich fand wichtige Hinweise, denen ich nachgehen musste.«
»Nun gut.« Der Abner räusperte sich und deutete auf den freien Stuhl zu seiner Rechten. »Wir wollten gerade beginnen. Setz dich doch! «
Sayen schloss die Tür und tat, wie ihm geheißen. Der Abner wartete, bis der Seher die Pergamente, die er unter dem Arm trug, vor sich auf dem Tisch geordnet hatte, dann erhob er sich. »Da wir nun alle versammelt sind, sehe ich keinen Grund, noch länger zu warten. Ich schlage vor, dass wir nacheinander unsere Berichte vortragen und anschließend über die Ergebnisse beraten. Zuvor möchte ich aber noch kurz Enron, den Hauptmann der Wache, und Liam, der für die Ausbildung der neuen Rekruten zuständig ist, in dieser Runde begrüßen.« Er nickte den beiden zu, die sich kurz erhoben und die Begrüßung erwiderten. »Angesichts der knappen Zeit hielt ich es für dringend erforderlich, dass sie bei dieser Beratung anwesend sind. Beide wurden von mir bereits über den Ernst der Lage in Kenntnis gesetzt. Falls einer von euch noch eine Frage hat, möge er sprechen.« Er warf einen fragenden Blick in die Runde.
Alles schwieg.
»Dann schlage ich vor, dass Sayen beginnt.« Der Abner setzte sich und lehnte sich auf seinem Stuhl zurück.
»Danke! « Der Meisterseher ließ den Blick über die Gesichter der Anwesenden schweifen. »Ich habe den ganzen Nachmittag lang die alten
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