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Die Saga von Thale 02 - Die Macht des Elfenfeuers

Titel: Die Saga von Thale 02 - Die Macht des Elfenfeuers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Monika Felten
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seinen Wangen glänzten Tränen.
    Bei diesem Anblick wich Naemys Erleichterung, ihren Sohn lebend anzutreffen, schlagartig einem tiefen Mitgefühl und sie hielt erschüttert inne. Nie zuvor hatte sie Tabor weinen sehen. Weder als Kind noch als Halbwüchsiger hatte er sie auf diese Weise an seinen Gefühlen teilhaben lassen und nun dies.
    Bei der Göttin, sie hatte ja keine Ahnung gehabt! Fassungslos blickte Naemy auf das geschändete Gesicht der Elfe. Die Krallen eines Quarlins hatten die rechte Hälfte bis zur Unkenntlichkeit zerfetzt, aber sie erkannte sofort, wer das Mädchen war. »Ilumynhi.« Leise formten Naemys Lippen den Namen der Toten. Die Elfe war eine der Letzten gewesen, die mit An-Shesan, ihrem älteren Bruder und ihren Eltern den Weg nach Caira-Dan gefunden hatte. Erst einhundertfünfzig Sommer nach der Gründung der Elfenhauptstadt hatten sie das Land westlich des Yunktun verlassen, um sich ihrem Volk in den Sümpfen von Numark anzuschließen.
    Naemy war sprachlos. Dass Tabor eine enge Freundschaft zu An-Shesan, Ilumynhis Bruder, pflegte, war ihr seit vielen Sommern bekannt, doch sie hätte nicht im Traum daran gedacht, dass zwischen Ilumynhi und Tabor etwas sein könnte!
    Wie konnte sie nur so blind gewesen sein? Und jetzt war es zu spät. Bei der Göttin, warum?, dachte Naemy erschüttert. Wie gern hätte sie etwas zu Tabor gesagt. Etwas Tröstendes, Worte, die ihm den schweren Verlust erträglicher machen konnten, doch sie wusste aus Erfahrung, dass Tabors Schmerz mit Worten nicht zu lindern war. So setzte sie sich nur schweigend neben ihn und legte ihm den Arm um die Schultern.
    Tabor zuckte unter der Berührung zusammen, als erwache er aus tiefem Schlaf. Mit tränennassem Gesicht blickte er seine Mutter an und erst jetzt begriff Naemy wirklich, wie sehr er litt. Nie zuvor hatte sie bei einem Elf eine so abgrundtiefe Trauer gesehen und sie spürte zu ihrem Entsetzen, dass
    Tabor mit dem Gedanken spielte, Ilumynhi freiwillig in den Tod zu folgen. Naemy erschrak. Wie lange mochte Tabor hier schon sitzen? Wie lange hielt er Ilumynhi in den Armen, allein mit seiner Trauer und dem sinnlosen Vorwurf, in der Stunde der Not nicht an ihrer Seite gewesen zu sein, ihr nicht geholfen zu haben? »Nein!«, hauchte Naemy. Plötzlich bekam sie es mit der Angst zu tun. Sie musste Tabor unbedingt vor der selbstzerstörerischen Trauer bewahren, sonst würde sie auch noch ihren Sohn verlieren!
    »Tabor?«, begann sie vorsichtig.
    Er antwortete nicht. Seine Blicke ruhten wieder auf Ilumynhis entstelltem Gesicht und seine Lippen bewegte sich, als spräche er leise zu ihr.
    »Wer immer das getan hat, er wird dafür bezahlen«, versuchte Naemy es erneut. »Wir werden ihn finden und werden dafür sorgen, dass. . . «
    »Sie ist tot, Mutter!«, presste Tabor hervor. In seiner Stimme schwang der unverhohlene Vorwurf mit, dass seine Mutter ihn nicht richtig verstand. »Tot, verstehst du?« Er schluchzte und hob eine kleine geschnitzte Flöte hoch, die er in der Hand verborgen gehalten hatte. Eine Piuliflote. Naemy wusste um das Band, welches das magische Instrument zwischen Liebenden entstehen ließ. Nur der erwählte Gefährte hörte ihren Klang, und die Melodie erreichte ihn, wo immer er sich befand.
    »Sie hat die Flöte nicht einmal benutzt. Ich fand sie in ihrer Hand, aber der Quarlin . . . « Tabor verstummte. Die schreckliche Gewissheit, im Augenblick des Todes nicht bei ihr gewesen zu sein, schnürte ihm die Kehle zu. Naemy bedrängte ihn nicht. Geduldig wartete sie, bis ihr Sohn bereit war weiterzusprechen. »Ich habe ihr die Flöte vor meiner Abreise gegeben, damit sie mich rufen konnte, wenn sie Hilfe brauchte. Und nun . . . « Er schluckte voller Bitternis. »Alles ging so schnell! Ich werde sie niemals wieder sehen. Nie mehr! Es sei denn, ich . . . «
    »Tabor!« Bestürzt legte Naemy eine Hand auf Tabors Arm. Sie hatte also richtig vermutet. »Daran darfst du nicht einmal denken. Hörst du ? Du darfst dein Leben nicht einfach wegwerfen. Die Göttin wollte, dass du lebst. Es hat sicher einen Sinn, dass du . . . «
    »Einen Sinn?« Tabor schnaubte verächtlich. »Welchen Sinn sollte es haben? Dass ich mich zeitlebens mit der Erinnerung quäle? Mir Vorwürfe mache, dass ich nicht bei ihr war?« Er hob den Kopf und sein Blick war voller Zorn. »Sag mir, was habe ich getan! « , rief er gereizt und traurig zugleich. »Was habe ich verbrochen, dass die Göttin mich so bestraft?«
    »Das Leben ist keine Strafe«,

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