Die Saga von Thale 02 - Die Macht des Elfenfeuers
aneinander, dass eine einzige golden schimmernde Wolke entstand. Als könne sie es nicht erwarten, dass sich das Tor endlich öffnete, wogte die Wolke unruhig hierhin und dorthin und endlich glitt der erste Funke hinab.
Wie ein endloser feuriger Schweif folgten die Funken dem leichten Sog, der sie in die Tiefe des Brunnens hineinzog. Immer schneller schmolz die Wolke dahin und mit jedem Lichtpunkt, der verschwand, wurde auch das Klingen leiser. Am Ende stand die Gütige Göttin wieder allein vor dem Brunnen des Wiedersehens. Es war still. Ein zarter Windhauch trug ihr die lieblichen Düfte des Gartens zu, doch die Göttin beachtete sie nicht. Besorgt trat sie an den Brunnen und blicke über den Rand hinab. Sie wusste: Wenn ihr Plan fehlschlug, waren die zarten Seelen der Elfen, die hier in den Gärten des Lebens ihre letzte Heimstatt hatten, für immer verloren. Nie wieder würde ihr liebliches Klingen die Lüfte erfüllen und ihr Licht nie wieder den Hain erleuchten. Wenn sie sich länger als eine Nacht in der alten Heimat aufhielten, würde ihr Licht verblassen und sie könnten nicht mehr zurückkehren. Dann waren sie auf ewig dazu verdammt, als gestaltlose Wesen in der Welt der Lebenden umherzuirren. Dennoch. Es war ihr eigener Wunsch gewesen
und die Göttin hatte zugestimmt. Das grausame Schicksal, das sie so früh in die ewigen Gärten des Lebens geführt hatte, sollte nicht ungesühnt bleiben.
Auf den Zinnen der Festungsstadt tobte ein erbitterter Kampf. Längst fand keiner der Verteidiger mehr die Zeit, die vielen Kletterseile zu durchtrennen, welche die Mauern von Nimrod wie gewaltige Spinnweben bedeckten. Mann gegen Mann fochten sie einen aussichtslosen Kampf gegen die erdrückende Übermacht der Cha-Gurrline und die Schreie, die durch die Nacht gellten, drangen nur allzu oft aus den Kehlen sterbender Verteidiger. Sheehan und Tabor standen Rücken an Rücken auf einem der breiten Wehrgänge und kämpften mit ihren Schwertern verbissen gegen fünf Cha-Gurrline, die sie eingekreist hatten und von allen Seiten attackierten. Sheehan blutete aus unzähligen Wunden. Sein Gewand war rot getränkt und er hinkte. Tabor erging es nicht viel besser. Nur seine Wut auf jene, die ihm das Liebste genommen hatten, hielt ihn noch auf den Beinen. Dennoch, mit jedem Tropfen Blut, der zu Boden fiel, schwanden die Kräfte der Elfenkrieger zusehends dahin und es würde nicht mehr lange dauern, bis einer von ihnen zu schwach war, um die wuchtigen Hiebe der schwarzen Krieger zu parieren.
Niemand bemerkte das liebliche Klingen von unbeschreiblicher Schönheit, das ein lauer Wind von den Sternen auf die Ebene hinabtrug. Als es stärker wurde und ganz Nimrod in seine Melodie einhüllte, verharrten zuerst die Heilerinnen, die auf dem Platz vor der Inneren Festung die Verwundeten versorgten, hoben den Blick und lauschten gebannt. Auch die vielen Menschen, die hinter den Mauern darauf warteten, durch die geheimen Stollen unter der Stadt in die Berge fliehen zu können, hielten inne und suchten den Himmel nach der Ursache für die wundersame Melodie ab. Und plötzlich erhob sich über dem Schlachtlärm und dem Klingen ein weiteres Geräusch. Erstaunte Rufe hallten durch die Straßen und wer immer sich im Freien befand, starrte zum Himmel empor.
Vor dem Hintergrund vieler tausend Sterne näherte sich eine funkelnde goldene Wolke, die aus brennendem Sternenstaub zu bestehen schien. Während sie langsam auf Nimrod zuschwebte, zog sie ihren feurigen Schweif viele hundert Längen über den Nachthimmel wie ein gewaltiges Tier, dessen Schwanzspitze sich irgendwo in der Unendlichkeit verlor. Die seltsame Melodie wurde immer lauter. Sie war von solch überirdischer Schönheit, dass sie die Angreifer und Verteidiger zunehmend in ihren Bann schlug. Zunächst wurde auf den Zinnen und den Straßen hinter der Festungsmauer noch heftig gekämpft, doch dann erlagen auch die Cha-Gurrlinen-Krieger dem Zauber der Musik und der Kampfeslärm verstummte. Die Krieger senkten die Waffen und verharrten in andächtigem Schweigen.
Die Wolke schwebte jetzt über Nimrod und war den Zinnen so nahe, dass Sheehan schon die Hand ausstrecken wollte, um einen der goldenen Funken zu berühren. Fasziniert verfolgte er die anmutigen Bewegungen der Lichter, die wie ein riesiger Leuchtkäferschwarm in einem bezaubernden Tanz hinund herwogten. Plötzlich sammelten sich die Funken über Nimrod und ballten sich zu einer gleißenden Sonne zusammen, deren Licht die
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