Die Saga von Thale 02 - Die Macht des Elfenfeuers
Wolke annahm, und wandte sich mit einer Frage an Tabor. Doch sein Freund hörte ihn nicht. Mit entrücktem Lächeln betrachtete er eine bezaubernde Elfe, die als nebelhafte Erscheinung vor ihm in der Luft schwebte.
»Sei nicht bekümmert!« Aus dem lieblichen, glockenhellen Klingen formten sich Worte in Tabors Gedanken. Wie dünne Schleier schwebten sie auf ihn zu und verwehten, sobald ihr Sinn sich ihm enthüllte.
»Ilumynhi«, flüsterte er voller Sehnsucht. »Wie kann ich dich nur erreichen ? «
»Nicht erreichen . . . « , flüsterte es in seinen Gedanken » . . . es ist nicht an der Zeit. . . glücklich bin
... deine Aufgabe ist hier . .. hier ... du musst helfen .. . helfen . .. helfen ... « Ilumynhis Stimme wurde immer schwächer.
»Helfen? Wem denn?« Tabor schluchzte. »Oh, Ilumynhi, verzeih mir, dass ich dich nicht beschützen konnte, dass ich nicht bei dir war... «
»Verzeihen . . . verzeihen . . . ich liebe dich . . . alles verzeihen . . . verzeihen.« Plötzlich flimmerte die Nebelgestalt und Tabor hatte das Gefühl, als ob man sie rief. »Nicht erreichen . . . « , mahnte sie noch einmal. »Helfen . . . helfen . . . «
»Aber meine Mutter ist tot! « , begehrte er auf. »Was soll ich noch unter den Lebenden, wenn mich alle verlassen haben, die ich liebe ? Ich bin so schrecklich allein! «
»Deine Mutter ist n i c h t . . . n i c h t . . . « Die Nebelgestalt sank langsam in sich zusammen. »Hier nicht.. . « , hörte Tabor sie wispern. »Nicht unter uns ... nicht hier ... wartet.. . « Ihre Stimme wurde wieder zu dem melodischen Klingen und die Worte erreichten Tabor nur noch bruchstückhaft. »Geh nicht, Ilumynhi!«, flehte er, doch da war die Nebelgestalt schon wieder zu einem winzigen Funken geworden und strebte der leuchtenden Wolke entgegen. » . . . liebe dich«, hörte er sie ganz schwach, wie aus weiter Ferne rufen. »Nicht traurig sein .. . helfen ... und warten .. . «
Dann war sie fort.
»Ilumynhi! « Tabors Herz krampfte sich zusammen, als er ihren Namen in die Nacht hinausrief. Ihm wurde schwindlig und er tastete nach der Mauerbrüstung, weil er plötzlich das Gefühl hatte, die Beine gäben unter ihm nach.
»Du wirst sie wieder sehen irgendwann.« Sheehan legte den Arm um Tabors Schultern und stützte ihn. »Sieh nur!« Er deutete zum Himmel hinauf, wo sich die funkelnde Wolke langsam entfernte und vor dem Hintergrund der leuchtenden Sterne verschwand. »Sie kehren zurück in die Ewigen Gärten des Lebens«, sagte Sheehan glücklich. »Ich hätte nie gedacht, dass ich einmal ein Elfenfeuer mit eigenen Augen sähe«, fuhr er fort. »Und dieses Elfenfeuer war etwas ganz Besonderes. Unsere Brüder und Schwestern sind nicht nur gekommen, um Vergeltung zu üben. Nein. Sie sind auch gekommen, um uns Trauernde zu trösten. So, wie es in der Legende beschrieben wird.« Er blickte seinem Freund tief in die Augen. »Sie wollten uns zeigen, dass es ihnen gut geht und wir nicht trauern sollen. Und dass wir uns irgendwann wieder sehen! «
»Du hast Recht!« Tabor griff nach Sheehans Arm und deutete auf die Mauern der zerstörten Festungsstadt. »Es wird lange dauern, bis die Wunden heilen, die dieser Wahnsinn geschlagen hat. Aber unser Blick muss nach vorn gerichtet sein.« Ein Lächeln huschte über sein Gesicht. Die Begegnung mit Ilumynhi hatte eine große Leere in seinem Herzen gefüllt. Er wusste nun, dass es ihr gut ging und dass sie ihm nicht böse war. Der einzige Schmerz, der ihm noch blieb, war die Ungewissheit, was mit Naemy geschehen war. So gern er Ilumynhis Worten geglaubt hätte nämlich dass seine Mutter nicht tot sei -, so quälend verfolgte ihn nach wie vor die Frage, was wirklich mit ihr geschehen war.
»Kiany!«
Der sanfte Klang ihres Namens schwirrte wie ein irres Echo durch die roten Nebel, die sie einhüllten. »Kiany!«
Die Stimme schien aus weiter Ferne zu kommen, dünn und schwach, aber es lag eine Wärme darin, die Kiany ermutigte, aus den Tiefen ihrer Seele aufzutauchen. Mühsam arbeitete sie sich aus den Träumen und Visionen heraus, deren schreckliche Bilder einfach nicht weichen wollten.
»Wie geht es dir, Kind ? Bei der Göttin, ich dachte schon, ich hätte auch dich verloren.«
Die Stimme gehörte Lya-Numi, das wusste Kiany jetzt, dennoch antwortete sie nicht. Blinzelnd versuchte sie zu erwachen, doch das Grauen, das sie durchlitten hatte, hielt ihren Geist noch immer gefangen. Sie konnte nicht glauben, dass die Gefahr vorüber war.
»Kiany?« Die
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