Die Saga von Thale 02 - Die Macht des Elfenfeuers
rührte sich nicht mehr.
Stille kehrte ein, doch sie währte nicht lange.
Etwas geschah!
Nur wenige Augenblicke, nachdem der Käfer sein Leben ausgehaucht hatte, zog ein leises Geräusch, das an fallenden Schnee erinnerte, durch die uralten Gewölbe. Feiner Goldstaub erfüllte die Luft und rieselte zu Boden, bis der Körper des Käfers völlig davon bedeckt war. .
Noch während Kiany die Augen öffnete, wusste sie, dass sie geträumt hatte. Die verzerrten Überreste des seltsamen Traums lösten sich nur mühsam auf. Eine Weile schwebten sie noch wie Trugbilder vor ihren Augen, bevor sie verblassten und Kiany aus der Umklammerung des Schlafes entließen.
Kiany blinzelte, doch erst nach einigen vergeblichen Versuchen gelang es ihr, etwas zu erkennen.
Das weiche Bett, auf dem sie lag, war nicht ihr eigenes. Die Kammer, in der sie sich befand, war sehr klein und wurde von zwei fast heruntergebrannten Kerzen erhellt, die in Wandhalterungen steckten. Ihre rußenden Flammen tanzten unruhig hin und her, denn das kleine Fenster über dem Bett war halb geöffnet und ließ kühle Nachtluft in die Kammer. Kiany betrachtete die tanzenden Schatten an der Wand und lauschte der Stille der Nacht. Sie war allein.
Nur ganz allmählich stellten sich die Erinnerungen an das unheimliche Erlebnis auf dem Turm wieder ein. Gleichzeitig begann es in ihrem Kopf so stark zu hämmern und zu klopfen, als hätten dort hundert winzige Schmiede mit der Arbeit begonnen. Sie presste die Hände an die Schläfen, doch auch das brachte ihr keine spürbare Erleichterung.
Durstig sah sie sich nach etwas Wasser um, fand aber nichts. Sie seufzte. Aufzustehen getraute sie sich nicht, dazu fühlte sie sich zu schwach. Sie konnte nur hoffen, dass bald jemand kam, um nach ihr zu sehen.
Ihre Geduld wurde auf eine harte Probe gestellt. Erst als die Farbe des Himmels hinter dem kleinen Fenster von Tiefschwarz ins Dunkelgrau wechselte und die Kerzen kurz vor dem Erlöschen standen, wurde die Tür zum Krankenzimmer geöffnet.
Eine Frau betrat leise die Kammer. Sie trug das übliche graue Gewand der Heilerinnen und war etwa doppelt so alt wie Kiany. In den Händen hielt sie ein Tablett, auf dem ein Krug mit Wasser und ein tönerner Becher standen. Darauf bedacht, das Mädchen nicht zu wecken, trat sie an das Bett und stellte das Tablett auf einen kleinen Tisch.
Kiany, die in einen unruhigen Halbschlaf gefallen war, bemerkte die Frau erst in dem Augenblick, als diese ihr besorgt eine Hand auf die Stirn legte.
»Ich habe Durst.« Kianys Kehle war trocken und ihre Stimme brüchig. Die Frau nickte. »Ich freue mich, dass du wieder bei Bewusstsein bist«, sagte sie, während sie den Becher füllte. »Hier hast du frisches Wasser.« Behutsam schob die Frau ihre linke Hand unter Kianys Nacken und half ihr, den Kopf zu heben. Dann setzte sie ihr den halb gefüllten Becher an die Lippen. Kiany ergriff ihn mit beiden Händen. Während sie gierig das kühle Nass durch die ausgetrocknete Kehle laufen ließ, mahnte eine innere Stimme, dass sie zu hastig und mit viel zu großen Schlucken trank. Doch der Durst war einfach zu übermächtig.
Schon bald begann sie zu husten und zu würgen und ein Teil der Flüssigkeit ergoss sich in einem Schwall über ihr weißes Nachtgewand. Die Heilerin schüttelte missbilligend den Kopf, doch der Tadel in ihren Worten klang eher liebevoll als ernst. »Aber Kind, auch wenn du noch nicht lange bei uns bist, solltest du schon wissen, dass man in deinem Zustand nicht so schnell trinken darf.« Während sie sprach, hielt sie mit einer Hand Kianys Arme in die Höhe und klopfte ihr mit der anderen kräftig auf den Rücken. Als der Husten sich gelegt hatte, blickte Kiany betroffen an sich hinunter. Sie schämte sich, so unvernünftig gehandelt zu haben.
Die Frau erhob sich und reichte Kiany eines der sauberen Tücher, die auf dem Tisch bereitlagen. Dann nahm sie das Tablett wieder in die Hand und schickte sich an, den Raum zu verlassen. »Ich besorge dir ein neues Nachtgewand«, versprach sie und wandte sich um. An der Tür hielt sie noch einmal inne und fragte: »Möchtest du auch etwas essen?« Bei diesen Worten meldete sich Kianys Magen so heftig, dass sie nicht erst zu antworten brauchte. Die Frau lächelte und sagte: »Dumme Frage! Wer so lange geschlafen hat wie du, hat natürlich Hunger. Ich sehe nach, was ich in der Küche finde.« Dann verließ sie die Kammer und schloss die Tür leise hinter sich.
Mit einem Seufzer ließ Kiany sich
Weitere Kostenlose Bücher