Die Saga von Thale 02 - Die Macht des Elfenfeuers
würde.
Aber er hatte keine Wahl. Sein Leben lag in der Hand des Meisters. Sollte er versagen, stand sein Schicksal bereits fest. In diesem Fall, daran hatte der Meister keinen Zweifel gelassen, erwartete ihn ein langsamer und qualvoller Tod.
»Wie geht es weiter?« Mit einem angewiderten Blick schob Bog seinen halb vollen Teller zur Seite. Der kleinwüchsige, hagere Gehilfe mit der hohen Stirnglatze war es gewohnt, nicht sofort eine Antwort zu erhalten, doch diesmal dauerte es ihm entschieden zu lange und er sah sich gezwungen, seine Frage zu wiederholen. »Wie ? «
»Das kann ich dir noch nicht genau sagen.« Skynom sah keinen Grund, Bog etwas vorzumachen. Ihre nächste Aufgabe war ebenso schwierig wie gefährlich und musste gut vorbereitet sein.
»Genau deshalb sind wir ja hier«, erklärte er. »Ich habe gehört, dass es jemanden geben soll, der uns bei der Erfüllung unserer Aufgabe helfen kann.«
»Außer uns ist aber niemand hier.« Bog vollführte mit dem Arm eine ausladende Geste durch den Raum. »Und ich fürchte, bei dem widerwärtigen Essen wird auch so schnell niemand kommen.«
»Abwarten!« Skynom lehnte sich gelassen zurück. Er vertraute den Auskünften, die er in den vergangenen Sonnenläufen bei dem Gesindel und Abschaum der Stadt gesammelt hatte. Der Mann, den er suchte, würde kommen. Um die Mittagszeit, so hatte man ihm versichert, würde er hier erscheinen.
»Ein Gesicht am Himmel?« Die Priesterinnenmutter wirkte äußerst skeptisch. »Wiv-Ienna konnte nichts dergleichen erkennen, als sie dich auf dem Turm fand.« Sie schüttelte verständnislos den Kopf und strich mitfühlend über Kianys Unterarm. »Sag, mein Kind, hast du vielleicht Heimweh?«, fragte sie vorsichtig. »Du bist noch sehr jung, viel jünger als andere Mädchen, die ihre Ausbildung bei uns begonnen haben. Könnte es sein, dass du deine Kräfte ein wenig überschätzt hast und dich wieder nach Hause wünschst, um die Wahl, Heilerin zu werden, neu zu prüfen? Vielleicht ist es besser für dich, wenn du zurückkehrst und in ein oder zwei Sommern wiederkommst.«
»Nein, bestimmt nicht!« Kiany streifte die Hand der Priesterinnenmutter mit einem Ruck ab und setzte zu einer heftigen Antwort an. Doch dann besann sie sich und schluckte ihren Ärger hinunter. Die Priesterinnenmutter meinte es nur gut, das spürte sie genau. Sie wollte sie auf keinen Fall verärgern. So holte sie noch einmal tief Luft und sagte: »Bitte, Ihr dürft mich nicht gleich zurückschicken. Ich bin glücklich hier und möchte die Erwartungen, die die Bewohner meines Heimatdorfes in mich setzen, auf keinen Fall enttäuschen.«
Die Priesterinnenmutter nickte. »Nach allem, was ich über dich gehört habe, kannst du gar nicht anders antworten«, meinte sie. »Und doch muss ich mich fragen, warum du ein Gesicht zu sehen glaubtest, wo keines war. Ich habe den Turm noch einmal bestiegen, doch wie Wiv-Ienna konnte auch ich überhaupt nichts Ungewöhnliches entdecken.«
Sie schwieg und Kiany spürte, dass sie auf eine Erklärung wartete. »Aber es war dort!«, beharrte sie hilflos. »Es war unmittelbar über mir. Ich habe es ganz deutlich gesehen und es hat zu mir gesprochen. «
»Es hat gesprochen? Was hat es denn gesagt?«
Kiany krauste die Stirn und dachte nach. »Es waren nur wenige Worte. Ich kann mich nicht richtig erinnern. Vielleicht: Geh fort! Oder etwas Ähnliches. Ich weiß es nicht mehr genau. Irgendetwas mit Norden.«
Die Priesterinnenmutter wog nachdenklich den Kopf. »Nun, das klingt wirklich sehr ungewöhnlich. Ich denke, es ist das Beste, wenn wir den Vorfall zunächst auf sich beruhen lassen. Aber sollte so etwas noch einmal vorkommen ... «
»Bitte!« Kiany ergriff den Arm der Priesterinnenmutter. »Ich bin nicht krank vor Heimweh. Ich fühle mich sehr wohl hier, das müsst Ihr mir glauben.« Tränen der Verzweiflung füllten ihre Augen. »Bitte«, schluchzte sie. »Bitte, schickt mich nicht wieder nach Hause zurück!«
Die Priesterinnenmutter nahm Kiany in die Arme und drückte sie an sich. Sie hatte die neue Novizin seit ihrer Ankunft beobachtet und glaubte ihr. Aber solche Wahnvorstellungen waren nicht zu unterschätzen und als oberste Pflicht aller Priesterinnen galt es nun einmal, die Gesundheit von Körper und Geist zu erhalten.
»Nein, ich schicke dich nicht fort, diesmal noch nicht«, versprach sie sanft. »Du hast meine Fragen ehrlich beantwortet und ich fühle, dass du wirklich den Wunsch hast, bei uns zu bleiben. Allerdings
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