Die Saga von Thale 02 - Die Macht des Elfenfeuers
die Stirn. »Dein Anliegen ist mir nicht neu«, erwiderte er bedächtig. »Du hat mich schon gestern darum gebeten. Ich brauche dir auch nicht noch einmal zu sagen, was ich von Zwangsrekrutierungen halte, daran hat sich nichts geändert. Aber ich habe lange darüber nachgedacht und gebe dir Recht. Dies ist eine Bedrohung, wie wir sie seit der Schlacht um Nimrod nicht mehr erlebt haben. Wenn nicht jeder seinen Teil dazu beiträgt, Nimrod zu schützen, werden wir alle untergehen. Deshalb erteile ich dir die Erlaubnis, alle wehrfähigen Männer und Frauen zu den Waffen zu rufen.«
»Danke! « Enron verneigte sich und nahm wieder Platz.
»Ich bin nach wie vor der Meinung, dass wir versuchen sollten, das Pulver aus Riesenalpkrallen gegen die dunkle Magie einzusetzen«, meinte Sayen.
»Aber Naemy hat doch letzte Nacht erklärt, dass es in Caira-Dan weder ein solches Pulver noch Waffen aus Sternenebulit gibt.« Der Abner blickte den Meisterseher verwundert an. »Auf die Hilfe solcher Mittel werden wir daher wohl verzichten müssen.«
»Aber in dem Land auf der anderen Seite des Ylmazur-Gebirges könnte es doch . . . «
»Niemand ist je auf der anderen Seite der Berge gewesen! « Die Stimme des Abners klang leicht gereizt.
»Aber der Riesenalp in der Legende kam von dort!«, beharrte Sayen. »Vielleicht finden wir. . . «
»Es reicht, Sayen«, mahnte der Abner. »Wir haben gestern ausführlich über den möglichen Wahrheitsgehalt der Legende beraten. Die Aussicht, beim Überqueren der Berge zu sterben, ist hundertmal größer als die Wahrscheinlichkeit, dort drüben Hilfe zu finden. Selbst wenn es dort Hilfe gäbe was ich stark bezweifle -, würde die Zeit niemals reichen, um rechtzeitig zurück zu sein. Nein, Sayen, so verlockend der Gedanke auch sein mag, er bringt uns nicht weiter. Niemand ist so unvernünftig . . . «
»Ich werde es versuchen! «
»Tabor! «
»Du bist verrückt!« »Das ist Wahnsinn! «
»Unmöglich, wie . . . ? « Plötzlich redeten alle aufgeregt durcheinander. Sheehan schüttelte den Kopf und sagte etwas, doch die Worte gingen im allgemeinen Stimmengewirr unter, während Naemy erschrocken die Hand auf den Arm ihres Sohnes legte und ihn fassungslos anstarrte. Sayen war aufgesprungen. Sein Gesicht glänzte vor Freude, während er um den Tisch herum auf Tabor zu eilte, der mit unerschütterlicher Miene auf seinem Stuhl saß und die anderen gelassen beobachtete.
»Ruhe!« Die Stimme des Abners erhob sich über das allgemeine Durcheinander und alle verstummten. »Dein Mut ehrt dich«, wandte er sich an Tabor. »Doch ich kann den Entschluss nicht gutheißen. Wie ich schon sagte: Die Aussicht auf Erfolg ist verschwindend gering.«
»Der Abner hat Recht«, sagte Naemy. In ihren Augen schimmerten Tränen. Die Furcht, nach allem erlittenen Leid auch noch den geliebten Sohn zu verlieren, war ihr deutlich anzusehen. »Noch nie ist es einem Elf gelungen, die Gipfel des Ylmazur-Gebirges zu überwinden. Nicht einmal den Menschen .. . «
»Mein Entschluss steht fest. Ich habe auch schon mit Leilith gesprochen sie kommt mit.« Tabor zeigte sich noch immer völlig unbeeindruckt.
»Aber du gehst in den Tod!«, warf Sheehan ein.
»Gehen wir das nicht alle?«, erwiderte Tabor. Betretenes Schweigen breitete sich aus. »Noch heute Abend werde ich mich mit Leilith auf den Weg machen«, erklärte er in die Stille hinein.
»Das ist Irrsinn! « Naemy hielt Tabors Arm noch immer umklammert und schüttelte den Kopf. Tabor drehte sich um und sah seiner Mutter in die Augen. »Du kannst mich nicht umstimmen, Mutter«, erwiderte er fest entschlossen und etwas in seinem Blick verriet Naemy, dass es wirklich so war. Sie löste die Hände und gab ihren Sohn frei. »Möge die Gütige Göttin dich leiten«, flüsterte sie leise und drehte sich weg, damit Tabor ihre Tränen nicht sah.
Als die Sonne ins dunkle Grün der Hügel westlich der Ebene sank und lange graue Schatten das Land berührten, machte sich Tabor zum Abflug bereit. Gegen die Kälte der Nacht hatte er sich in warme Kleidung aus Steppenbüffelfell gehüllt, und ein dichter Umhang, den er zusammen mit seinem Gepäck auf Leiliths Rücken verschnürte, sollte ihn zusätzlich vor der eisigen Hochgebirgsluft schützen.
Schweigend überprüfte der junge Elf ein letztes Mal den Sitz des Reitgeschirrs und vergewisserte sich, dass alle Schnallen geschlossen waren. Dabei vermied er es ganz bewusst, in die Gesichter der umstehenden Elfen und Menschen zu blicken, die
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