Die Saga von Thale 02 - Die Macht des Elfenfeuers
Vorwurf, versagt zu haben, lag in jedem Blick, mit dem die Priesterinnenmutter Naemy bedachte.
»Du hast getan, was du für richtig hieltest«, sagte Chantu, als könne er Naemys Gedanken lesen.
»Ich habe meinem besten Freund und einem Kind, das mir vertraute, den Tod gebracht«,
erwiderte Naemy bitter.
»Was geschehen ist, lässt sich nicht ändern«, meinte Chantu. »Aber Fehler sind dazu da, daraus zu lernen und manche lassen sich sogar wieder gutmachen.«
»Zahir und Kiany sind tot!«, sagte Naemy voller Selbstverachtung. »Da gibt es nichts gutzumachen.«
»Bist du dir da so sicher?«
»Wie meinst du das ? «
»Das Mädchen . . . ? «
»Kein Mensch überlebt den Sturz aus einer solchen Höhe.« »Das habe ich aber anders gesehen.«
»Du h a s t . . . ? « Fassungslos starrte Naemy den Riesenalp an. »Du hast was?«
»Zahir hat mir Bilder des Heeres übermittelt«, erkläre Chantu. »Er war bereits schwer verwundet und fürchtete, ihr könntet alle ums Leben kommen. Weil er sichergehen wollte, dass die Kunde von dem Cha-Gurrlinen-Heer Nimrod auch wirklich erreicht, hat er mir das Heer mit seinen Augen gezeigt. Falls keiner von euch zurückgekehrt wäre, sollte ich Tabor berichten.«
»Unglaublich! Ich hätte nie gedacht, dass ihr so etwas könnt.« Naemy wollte kaum glauben, was sie da hörte. »Warum habt ihr mir nie davon erzählt?«, fragte sie, aber Chantu blieb ihr die Antwort schuldig. »Ich habe das Mädchen fallen sehen«, fuhr er unbeirrt fort. »Und ich sah, dass sie aufgefangen wurde von einem Cha-Gurrlin! Die Wucht des Aufpralls schleuderte beide zu Boden. Danach drehte Zahir ab und das Mädchen war nicht mehr zu sehen. Aber wenn du mich fragst. .. «
» ... könnte sie noch am Leben sein!« Naemy ballte die Fäuste. Ihre Augen glühten vor Eifer. »Ich suche sie!«, schwor sie. »Ich suche sie und bei der Göttin wenn sie wirklich noch am Leben ist, finde ich sie und bringe sie nach Hause.« Sie schlang die Arme um Chantus Nacken. »Danke, Freund«, sagte sie. »Du hast mir sehr geholfen. Ich gehe sofort zum Abner und teile ihm mit, dass ich mich noch heute Abend wieder auf den Weg ins Grasland mache, um dort nach Kiany zu suchen. Vielleicht gibt er mir ja ein schnelles Pferd, das. . . «
»Wozu ein Pferd?« Chantu klang ehrlich verwundert.
»Es ist sicherer. Zweimal bin ich wohlbehalten durch die Zwischenwelt gereist, aber ich weiß, dass sich noch viele Quarline bei dem Heer befinden. Ich möchte das Glück nicht unnötig herausfordern. Außerdem muss ich wendig sein, wenn ich das Heer beobachte und . . . «
»Und was ist mit mir?«, fragte Chantu ein wenig gekränkt.
»Oh, Chantu, das . . . würdest du wirklich . . . ? « Naemy fehlten die Worte. »Ich dachte, nachdem Zahir... da dachte ich, dass du mir nicht mehr vertraust.«
»Natürlich vertraue ich dir«, erwiderte Chantu. Plötzlich wurde seine Stimme grimmig. »Ich wollte ohnehin ins Grasland fliegen « , sagte er. »Die Cha-Gurrline haben meinen Bruder getötet. Du glaubst doch nicht, dass ich das so einfach hinnehme! «
Gegen den unerbittlichen Wind, der so beständig aus Süden wehte, als wolle er den Vormarsch des Heeres aufhalten, bahnten sich die Cha-Gurrlinen-Krieger ihren Weg durch das vom Regen der magischen Wolke aufgeweichte Grasland. Immer wieder versanken die hölzernen Räder der schweren Wagen in dem morastigen Boden und die Mühsal, sie wieder zu befreien, zehrte an den Kräften der Krieger. Als der Himmel im Osten grau wurde und die Sonne sich anschickte, das Grasland in ihr helles Morgenlicht zu tauchen, waren selbst die stärksten Krieger so erschöpft, dass sie kaum noch vorwärts kamen.
Doch der Befehl des Meisters lautete, weiterzumarschieren, bis das Tageslicht den Kriegern die Sicht nahm, und die Heerführer gönnten den Kriegern so lange keine Rast, bis der gleißende Sonnenschein unerträglich wurde.
Kiany bekam von alledem nichts mit. Wie im Rausch trieb sie dahin, ohne Erinnerungen und Gefühle ihr Geist war leer. Seit ihr Bewusstsein das Dimensionentor durchschritten und die Worte der fremden Wesenheit empfangen hatte, fühlte sie nur die lähmende Kälte.
Ihre Augen waren geöffnet, doch sie sah nichts. Die wogenden Schatten, die sich um sie herum bewegten, hatten keine Bedeutung nichts hatte Bedeutung. Das Stimmengewirr und die Gesprächsfetzen, die sie streiften, blieben ohne Belang und auch die Berührungen fremder Hände, die sie aufrichteten, herumführten oder an einen anderen Ort
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