Die Saga von Thale 02 - Die Macht des Elfenfeuers
verschlossen.« Plötzlich hatte er es eilig. »Den Bann zu lösen, dürfte nicht schwierig sein. Ich schicke Jukkon sofort mit einigen Krieger hinunter, damit sie sich der Sache annehmen. Er soll herausfinden, ob der alte Fluchttunnel in die Valdorberge noch passierbar ist. Sollte das große Tor fallen, müssen wir versuchen, so viele Menschen wie möglich durch die Stollen in die Berge zu führen, während unsere Krieger die Mauern der Inneren Festung verteidigen.« Er seufzte tief. »Die Göttin möge verhindern, dass es dazu kommt.«
Im Licht der aufgehenden Sonne, die sich als feurige Scheibe hinter den Valdorbergen erhob, erreichten Tabor und Leilith das Ylmazur-Gebirge. Die majestätischen Gipfel ragten Tausende von Längen in den azurblauen Himmel hinauf und inmitten der Giganten erhob sich der tief verschneite Himmelsturm wie der Urvater aller Berge eisig, stumm und zeitlos. Obwohl sich die Bergkette in der dunstigen Luft wie eine dunkle, abweisende Mauer über der Ebene erhob, schlug Tabors Herz bei diesem Anblick höher er kehrte heim.
Goldenes Sonnenlicht setzte die schneebedeckten Gipfel in Flammen und nahm den schroffen Graten und tückischen Gletschern den Schrecken. Doch Tabor war erfahren genug, um sich von der friedlichen Aussicht nicht täuschen zu lassen. Obwohl sein Volk viele tausend Sommer im Schatten des Ylmazur-Gebirges gelebt hatte, hatten es die Wärme liebenden Elfen nie gewagt, die Schwindel erregenden Höhen zu erklimmen.
Einige wagemutige Menschen sollten den Aufstieg versucht haben, doch keiner von ihnen war je zurückgekehrt, um über das Gesehene und Erlebte zu berichten.
Das Ylmazur-Gebirge war tückisch, hoch aufragend und unüberwindlich. Kein Pass führte hinüber und selbst die Riesenalpe wagten es nicht, in die eisige Luft aufzusteigen, denn das Wetter jenseits der Baumgrenze war unberechenbar. Oft fegte der Wind mit wilder Kraft über den nackten Fels, fauchte durch Schluchten und schroffe Abstürze, über Hänge und Grate und fiel über alles her, was seinem Wüten im Weg stand.
Nach Wetterstürzen quollen die Wolken mit rasender Geschwindigkeit auf und in wenigen Augenblicken konnte ein furchtbarer Schneesturm wüten, wo zuvor noch die Sonne geschienen hatte. Die plötzlich auftretenden Fallwinde, die den Unwettern vorauszugehen pflegten, waren für die Riesenalpe ganz besonders gefährlich.
Zahir war vor fünf Sommern einmal nur knapp dem Tod entronnen, als ihn ein Fallwind zu Boden drückte. Im letzten Augenblick fand er einen warmen Luftstrom, der ihm wieder Auftrieb gab. Damals hatte allerdings Sommer geherrscht und Tabor bezweifelte, dass es zu dieser späten Jahreszeit dort oben noch solche milden Strömungen gab.
Hoffnung und Besorgnis begleiteten ihn, während er auf Leiliths Rücken im sanften Gleitflug über die dicht bewaldete Ebene dahinschwebte, die sich wie ein weiches braungrünes Tuch unter ihnen ausbreitete. Das breite silberne Band des Yunktun durchschnitt den Wald von Norden kommend in zwei nahezu gleich große Hälften, bevor es sich irgendwo im Süden in den Sümpfen von Numark in einer gewaltigen fächerartigen Flussmündung ausbreitete.
Der Gedanke an die vernichtete Heimat versetzte Tabor einen schmerzhaften Stich und erinnerte ihn daran, warum er die gefährliche Aufgabe übernommen hatte er wollte sein Volk rächen. Wer immer für diesen heimtückischen Angriff verantwortlich war, sollte dafür büßen. Entschlossen wandte er den Blick wieder den Bergen zu, die nun zum Greifen nahe vor ihm lagen, und maß die gigantischen Gipfel mit einem prüfenden Blick. Viel konnte er nicht mehr erkennen, denn die Sonne hatte an Kraft gewonnen und ihr grelles Licht wurde von den endlosen Schneeflächen zurückgeworfen. Dennoch, hinter den Gipfeln war der Himmel blau und das Wetter schien ruhig.
»Bist du bereit? « , erkundigte sich Tabor mithilfe der Gedankensprache bei Leilith, während er den dicken Mantel aus Steppenbüffelfell und ein Paar Handschuhe aus dem Reisegepäck zog und hineinschlüpfte.
»Bereit zum Sterben?« Die Worte des Riesenalpweibchens sollten spöttisch klingen, doch Sorge
und die Trauer um ihren Bruder nahmen ihnen die Schärfe. Tabor spürte zu seinem Erstaunen, dass Leilith wirklich ängstlich war.
»Die Menschen in Nimrod verlassen sich ganz und gar auf uns«, erinnerte er sie.
»Ich weiß«, erwiderte Leilith kleinlaut. Eine Weile herrschte Schweigen, als müsse sie für die nächsten Worte erst die nötige Kraft sammeln,
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