Die Saga von Thale 02 - Die Macht des Elfenfeuers
darfst du nicht hinauf!« Manou hatte Kiany eingeholt und packte sie an der Schulter, um sie zurückzuhalten. Obwohl sie ahnte, dass es zwecklos war, versuchte sie ein letztes Mal, Kiany von ihrem verrückten Vorhaben abzubringen. »Die Wachtposten vor der Treppe lassen dich sowieso nicht durch. Nimm Vernunft an und warte bis morgen! Heute bekommst du höchstens einen Riesenärger mit der Priesterinnenmutter.«
»Ich kann nicht warten, Manou! « , erklärte Kiany bestimmt. Mit einem Ruck entzog sie sich dem Griff ihrer Freundin und setzte den Weg unbeirrt fort. Inzwischen war sie wieder zu Kräften gekommen und steuerte mit festen Schritten auf die Wachtposten zu, die vor der Tribünentreppe standen. »Kiany! « In der Hoffnung, das drohende Unheil zu verhindern, ergriff Manou den Arm ihrer Freundin und hielt sie fest. In diesem Augenblick zuckten die ersten farbigen Blitze über den Himmel und riefen auf dem Festplatz einen Sturm der Begeisterung hervor.
»Lass mich los, Manou! « Etwas Drohendes schwang in Kianys Worten mit, doch Manou ließ sich nicht einschüchtern. »Nein«, erwiderte sie aufgebracht. »Ich sehe nicht tatenlos zu, wie sich meine beste Freundin ins Unglück stürzt. Sie werden . . . »
Eine rasche Bewegung von Kiany riss die völlig unvorbereitete Manou von den Füßen. Sie vollführte eine halbe Drehung und stürzte zu Boden.
»Tut mir Leid, Manou«, hörte sie Kiany sagen. »Ich wollte dir nicht wehtun. Banor hat mir diesen Kre-An-Sor-Wurf beigebracht, damit ich mich in Nimrod gegen Zudringlichkeiten wehren kann.« Mit diesen Worten wandte sie sich um und eilte entschlossen zur Treppe.
Manou kniff die Augen zusammen und zog die Luft scharf durch die Zähne. Ihr Handgelenk schmerzte und am Oberschenkel würde sie wohl eine dicke Prellung zurückbehalten. Jetzt konnte sie nichts mehr tun. Während sie sich aufrichtete, sah sie, wie ihre Freundin die Treppe erreichte und heftig gestikulierend mit den Wachtposten sprach. Manou konnte ihre Worte nicht verstehen, doch die Gesten ließen keinen Zweifel daran, dass Kiany versuchte, sich Einlass zur Tribüne zu verschaffen.
Als ihr das misslang, versuchte sie sich zwischen den Wachtposten hindurchzuzwängen. Manou traute ihren Augen nicht. So viel Temperament hatte sie ihrer sanftmütigen Freundin gar nicht zugetraut. Mit einem Satz war sie wieder auf den Beinen und eilte zur Treppe, um Kiany zur Vernunft zu bringen, bevor die Männer handgreiflich wurden. Aber sie kam zu spät. Die beiden hatten Kiany bereits gepackt, um sie abzuführen. Wie eine Furie um sich schlagend und tretend, hing sie zwischen den beiden kräftigen Männern, die sie an den Oberarmen festhielten und große Mühe hatten, sie zu bändigen.
Schon hatte sich eine ansehnliche Menschenmenge um die drei versammelt, die den ungleichen Kampf neugierig verfolgten.
»Lasst mich los! « , schrie Kiany und schnappte mit den Zähnen nach der Hand eines Wachtpostens, der ihr den Mund zuhalten wollte. »Ich muss zur Priester... mh . . . mh . . . « Sie verstummte als sich die Hand über ihren Mund legte, rollte mit den Augen und ruckte mit dem Kopf wild hin und her. Vergeblich. Der Kraft des Mannes war sie nicht gewachsen.
Das ging Manou nun doch entschieden zu weit. Auch wenn sie es ebenfalls für besser hielt, dass Kiany die Tribüne nicht erreichte, konnte sie die grobe Behandlung nicht länger mit ansehen. Energisch bahnte sie sich einen Weg durch die Schaulustigen und trat vor die Wachtposten.
»Lasst sie los! « , rief sie entrüstet. Dabei war es ihr gleichgültig, ob sie sich in diesem Moment lächerlich machte. Ihre einzige Sorge galt Kiany. »Geh aus dem Weg, Mädchen.« Einer der Männer stieß Manou unsanft mit der Schulter beiseite. »Novizinnen sind nicht weisungsberechtigt!« Manou taumelte. Fast wäre sie gestürzt, doch sie fing sich wieder und trat dem Mann erneut entgegen. »Im Namen der Göttin, lasst sie los. Kiany ist meine Freundin und ihr tut ihr weh! « , rief sie mit schwankender Stimme.
Daraufhin fingen beide Männer gleichzeitig an zu lachen. »Dann hättest du deiner Freundin sagen sollen, dass sie hier nichts zu suchen hat«, meinte der eine. »Wir haben Befehl, alle, die die Feierlichkeiten stören, bis zum Morgen in den Kerker zu sperren. Und jetzt verschwinde, bevor wir dich auch mitnehmen. « Bei diesen Worten bäumte sich Kiany auf. Ihr Kopf zuckte plötzlich nach hinten, und für den Bruchteil eines Augenblicks erhielt sie gerade genug Freiraum, um
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