Die Saga von Thale 02 - Die Macht des Elfenfeuers
Wo war sie? Was war geschehen ? Das Letzte, woran sie sich erinnerte, war das Gefühl zu ersticken und ein stechender Schmerz im Rücken. Aber sie war nicht gestorben. Oder?
Der dumpfe Nachhall eines verworrenen Traumes drängte sie, aufzustehen und jemanden zu warnen. Aber wen? Verzweifelt versuchte sie die letzten Fetzen des Traumes zu greifen, der sich wie ein Nebel im Sonnenlicht immer schneller auflöste.
Da war ein Mann gewesen. Und lange dunkle Gänge. Auch eine schimmernde Kristallsäule hatte sie gesehen. Der Mann hatte sie zerstört! Plötzlich wusste Kiany es wieder. Der Mann hatte die Säule umgestoßen, etwas vom Boden aufgehoben und war davon-gerannt. Der Gedanke, jemanden warnen zu müssen, wurde fast unerträglich. Sie hatte keine Ahnung, wer der Mann gewesen war und was er gestohlen hatte, zweifelte aber keinen Augenblick lang daran, dass es etwas ungeheuer Wichtiges war. Sie musste handeln, und zwar sofort.
Umständlich versuchte Kiany sich zu erheben, doch Arme und Beine wollten ihr nicht gehorchen.
Die Glieder schmerzten und kribbelten, als liefen Millionen winziger Käfer darauf herum. Sie ließ sich wieder zurückfallen.
»Manou ? « Kiany blinzelte, konnte aber nicht viel erkennen. Alles war dunkel. Wo war sie? Weit entfernt hörte sie Stimmen und das Knistern brennender Scheite. Dann raschelte es und jemand trat an ihre Seite. »Kiany?« Manous Stimme schwankte zwischen Unglaube und Freude, als sie sich hinhockte und die Hand ihrer Freundin ergriff. »Bei der Göttin, ich hatte solche Angst, du könntest sterben«, flüsterte sie. »Was war denn los? Du bist plötzlich blau angelaufen und konntest nicht mehr atmen. Ich wollte dich zu einer Heilerin bringen, aber die Menschen machten einfach keinen Platz ... « Manou schluchzte, als sie die ausgestandenen Ängste in Gedanken noch einmal durchlebte. »Oh, Kiany, ich hatte ja solche Angst um dich! « Dann riss sie sich zusammen und fragte: »Wie fühlst du dich ? «
»Gut!«, versicherte Kiany und machte erneut einen vergeblichen Versuch, sich aufzurichten.
»Manou, etwas Schreckliches ist geschehen. Ich muss sofort mit der Priesterinnenmutter sprechen« , sagte sie mit bebender Stimme.
»Aber das ist unmöglich!« Manou schüttelte energisch den Kopf. »Die Feierlichkeiten dauern noch eine Weile an. Solange wird die Priesterinnenmutter oben auf der Tribüne bei dem Abner und den anderen Würdenträgern sein.«
»Aber es ist wichtig, Manou. Ich habe etwas gesehen. Ein Verbrechen ! Ich kann es dir nicht genau beschreiben, weil ich mich nicht mehr an alles erinnere. Aber ich weiß, dass es sehr wichtig ist.« Kiany war verzweifelt. Innerlich spürte sie, dass mit jedem Augenblick, der verstrich, kostbare Zeit verloren ging. »Du hattest sicher nur wieder einen schlimmen Traum«, versuchte Manou ihre Freundin zu beschwichtigen. »Es ist ja nicht das erste Mal, dass . . . «
»Das war kein Traum, Manou!« Irgendwie schaffte es Kiany, sich trotz ihrer schmerzenden Glieder aufzusetzen. »Diesmal war es anders, wie . . . wie eine Vision! Was ich gesehen habe, ist wirklich geschehen, da bin ich mir ganz sicher. Irgendwo hier in der Nähe wurde gerade ein furchtbares Verbrechen begangen.« Manou runzelte die Stirn. »Heute?
Kiany! Ganz Nimrod feiert heute Nacht ein friedliches Fest. Was du da behauptest, klingt einfach lächerlich.«
»Aber es ist geschehen! « Auf der Suche nach einem Halt, an dem sie sich hochziehen konnte, blickte sich Kiany suchend um. Inzwischen wusste sie, wo sie sich befand. Manou hatte sie die hölzernen Treppenstufen, die zu den Zinnen hinaufführten, heruntergetragen und sie unterhalb der Treppe im Schutz der inneren Festungsmauer auf den Boden gelegt. Der Umhang ihrer Freundin hatte ihr dabei als Kissen gedient. Vermutlich wollte Manou nur ein wenig verschnaufen, bevor sie Kiany zu der Heilerin brachte. »Wenn du dich nicht traust, gehe ich allein. Was ich gesehen habe, duldet keinen Aufschub! « Keuchend zog sich Kiany an einem hölzernen Stützbalken in die Höhe.
Manou kniete noch immer am Boden. Sie machte keine Anstalten, Kiany aufzuhalten, bedachte sie aber mit einem Blick, der sie endgültig für verrückt erklärte. »Das kannst du nicht tun, Kiany!«, mahnte sie. »Wenn du die heilige Zeremonie wegen eines Albtraums störst, werden sie dich verstoßen und nie wieder aufnehmen. Verstoßen, verstehst du? Nicht nur für ein oder zwei Sommer nach Hause schicken für immer!«
»Das war kein Albtraum!«,
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