Die Saga von Thale 02 - Die Macht des Elfenfeuers
herrschte Kiany ihre Freundin an. Warum glaubte Manou ihr denn nicht? Aber letztendlich war es auch gleichgültig, ob Manou sich überzeugen ließ oder nicht. Sie musste zur Priesterinnenmutter sofort! Während Kiany sich mit einer Hand an der Festungsmauer entlangtastete, schob sie sich langsam auf die Tribüne zu. »Kiany!« Manous Ruf klang wie eine Aufforderung, endlich Vernunft anzunehmen. Aber Kiany tat, als hätte sie nichts gehört, und setzte ihren Weg unbeirrt fort.
Manou schnaubte ärgerlich. Hin und her gerissen zwischen dem Wunsch, wenigstens das Ende der Feierlichkeiten mit anzusehen, und den mahnenden Worten ihres Gewissens, Kiany nicht allein zu lassen, blickte sie ihrer Freundin unschlüssig nach. Insgeheim ärgerte sie sich, weil sie wegen Kianys Ohnmacht den Höhepunkt des Festes verpasst hatte. Aber der Erstickungsanfall hatte wirklich schlimm ausgesehen und für einen Moment war sie sogar sicher gewesen, dass Kiany sterben würde. Wenn sie geahnt hätte, dass sich ihre Freundin so schnell wieder erholen würde, hätte sie bestimmt anders gehandelt, aber die Zeit ließ sich nicht zurückdrehen. Inzwischen waren vermutlich alle Opfergaben dem Feuer übergeben worden, denn der Schein der lodernden Flammen, der über die Mauer auf den Hof der Inneren Festung fiel, wurde deutlich schwächer.
»Ach, jetzt ist es sowieso egal« , seufzte Manou ergeben. Sie hatte schon so viel verpasst, dass es auf den Abschlussgesang und die letzten Gebete auch nicht mehr ankam. Verstimmt über Kianys Dickköpfigkeit, stand sie auf und folgte ihrer Freundin, die bereits hinter der ersten Biegung der Festungsmauer verschwunden war.
Auf diesen Augenblick hatte Zatoc gewartet. Zufällig hatte er die beiden Mädchen auf seinem Weg über den Hof im Schatten der Festungsmauer gesehen und sich gerade noch rechtzeitig verstecken können, bevor sie ihn entdeckten. Ungeduldig hatte er die beiden beobachtet und darauf gehofft, dass sie schon bald auf die Mauer zurückkehren würden. Aber sie dachten offenbar gar nicht daran. Zatoc konnte die Worte, die die beiden miteinander wechselten, nicht verstehen, doch ihre Gesten ließen keinen Zweifel daran, dass sie sich stritten. Schließlich hatte sich das eine Mädchen entfernt und endlich war ihm auch das andere gefolgt. Der Weg war frei.
Gerade noch rechtzeitig. Der schwache Schein des heruntergebrannten Feuers kündigte das baldige Ende der Erntefeier an und die Gefahr bestand, dass sich der Hof bald mit heimkehrenden Menschen füllen würde. Mit raschen Schritten gelangte Zatoc wieder in den Schutz der Festungsmauer. Jetzt hatte er es nicht mehr weit. Geduckt huschte er an der Mauer entlang, wobei er das geöffnete Tor zur Inneren Festung nicht aus den Augen ließ. Das letzte Stück tastete er sich, den Rücken fest an die Mauer gepresst, vorsichtig voran. Er hatte Glück. Offensichtlich wollte niemand das Spiel der farbigen magischen Blitze verpassen, das die Druiden zum Abschluss eines jeden Festes am Nachthimmel veranstalteten. Behände schob er sich in den schmalen Spalt zwischen dem hölzernen Torflügel und der Mauer, lauschte und wartete.
Seine Geduld wurde auf eine harte Probe gestellt. Die Feier dauerte länger, als er vermutet hatte.
Zweimal hörte er ganz in der Nähe Stimmen und drückte sich trotz der Enge noch weiter in die Nische hinter dem Torflügel. Die Glieder schmerzten ihn und er fluchte leise vor sich hin. Wenn nur endlich diese verdammten Blitze kämen.
Wenige Augenblicke später war es so weit. Begeisterte Rufe, die vom Festplatz herüberdrangen, verrieten Zatoc, dass das magische Schauspiel begonnen hatte. Er vergewisserte sich, dass ihn niemand beobachtete, trat aus seinem Versteck und eilte wie jemand, der Angst hatte, das Spektakel zu verpassen, auf den Festplatz hinaus. Scheinbar verzückt wie alle anderen, hob er den Blick zum Himmel, während er sich mit breitem Lächeln einen Weg durch die Menschenmenge bahnte.
Er war reich! Der Gedanke schwirrte in seinem Kopf und ließ sein Herz höher schlagen. So reich, wie kein anderer Dieb in Nimrod jemals werden würde! Sein Traum war in Erfüllung gegangen. Im Schein der farbigen Blitze, die nun in rascher Folge über den Himmel zuckten, spürte er das Gewicht des Goldes schon fast in den Händen. In wenigen Augenblicken würde er das Amulett in einer schmalen Gasse nahe der Barriere an Skynom übergeben und danach würde sein neues Leben beginnen ein Leben in Reichtum und Überfluss.
»Kiany! Da
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