Die Saga von Thale 02 - Die Macht des Elfenfeuers
dem Wachtposten, der ihr den Mund zuhielt, in die Hand zu beißen. »Bei den Toren!« Der Mann fluchte und holte mit der verletzten Hand zu einem wütenden Schlag aus.
»Naemiiii ...!« Kiany nutzte den Moment der Freiheit zu einem verzweifelten Aufschrei, doch
noch während sich Manou darüber wunderte, welche Kraft in Kianys Stimme mitschwang, brachte ein heftiger Schlag ihre Freundin zum Schweigen. Manou war entsetzt.
Sie sah, wie Kiany zusammenzuckte und ihr die Tränen in die Augen schössen, aber sie sah noch mehr: Auf der Tribüne rührte sich etwas. Offenbar hatte Kiany es tatsächlich geschafft, über das Krachen und Knattern der magischen Blitze hinweg dort oben gehört zu werden. In die Menge, die auf den oberen Stufen der Treppe standen, kam plötzlich Bewegung. Es wurde gedrängelt und geschoben, bis eine schmale Gasse entstand.
Manou reckte den Kopf, um zu sehen, für wen dort Platz gemacht wurde. Zuerst konnte sie nichts erkennen, doch als sie die anmutige Gestalt mit dem blaugrauen langen Haar erblickte, die mit ernstem Gesicht die Stufen herunterstieg, machte ihr Herz vor Freude einen Sprung.
Zatoc kam gut voran. Wie nicht anders zu erwarten, waren die Straßen und Gassen der Festungsstadt an diesem Abend menschenleer. Bei dem Gedanken an seinen baldigen Reichtum schritt er noch schneller aus. Während die magischen Blitze den Himmel erhellten, erreichte er die schmale Gasse, in der Skynom und das Gold auf ihn warteten. Nachdem er sich mit verstohlenen Blicken nach allen Richtungen umgeschaut hatte, tauchte er in die tiefen Schatten zwischen den windschiefen Fachwerkhäusern, die das Stadtbild in diesem Teil Nimrods prägten. Als sich seine Augen an die Dunkelheit gewöhnt hatten, entdeckte er eine vermummte Gestalt, die etwa zehn Längen von ihm entfernt an einer Hauswand lehnte, und ging darauf zu.
»Zeig es mir!«, herrschte Skynom den Dieb ohne jede Begrüßung an. »Du hast es doch, oder?«
»Höre ich da Gier in der Stimme des Magiers?« Zatoc grinste breit. »Zuerst will ich sehen, ob du das Gold dabeihast.«
»Glaubst du etwa, ich betrüge dich?«, knurrte Skynom. In seinen Augen blitzte es gefährlich.
»Natürlich habe ich das Gold bei mir.«
»Dann zeig es mir!«, verlangte Zatoc mit gierigem Blick. »Ohne Gold kein Amulett.«
»Hältst du mich für so einfältig, dass ich dir das Gold zeige, bevor ich den Asaak zurückbekommen habe?«, schnarrte Skynom. »Damit ich womöglich das gleiche Schicksal erleide wie mein treuer Gehilfe? Oh, nein. Ich habe das Gold. Aber es ist durch einen Zauber verborgen. Wenn mir etwas geschieht, wirst du es niemals finden. Einigen wir uns also darauf, dass du mir zuerst den Asaak zurückgibst, bevor ich dir das Gold zeige.«
Zähneknirschend zog Zatoc den in dickes Tuch gehüllten Dolch unter dem Mantel hervor. Es ärgerte ihn, dass Skynom immer ein wenig schlauer und besser vorbereitet war als er. Aber das Gold allein zählte und der krachende Donner, der das Ende des Erntefestes ankündigte, erinnerte ihn daran, dass ihm keine Zeit für lange Verhandlungen blieb. Wenn man die Leichen und den Diebstahl bemerkte, würde der Rat sofort die Stadttore schließen lassen. Er musste Nimrod so schnell wie möglich verlassen. »Hier hast du den Asaak, verdammt«, fauchte er, und überreichte Skynom den Dolch. »Wo ist das Gold?«
»Hier!« Skynom machte eine knappe Handbewegung. Auf der schäbigen Holzkiste zu seiner Linken erschien ein halb geöffneter Lederbeutel, in dem hunderte großer und kleiner Goldstücke glänzten. »Ah! « Zatoc konnte einen überraschten Ausruf nicht unterdrücken. Hastig trat er einen Schritt vor und versuchte den Beutel zu ergreifen, doch der verschwand so schnell, wie er erschienen war, und die Hände des Diebs fassten ins Leere.
»Für wie dumm hältst du mich eigentlich?«, höhnte Skynom. »Das Gold bekommst du erst, wenn ich das Amulett habe.«
Mit einem vernichtenden Blick richtete sich Zatoc auf und schob die Hand in die Tasche seines Umhangs. Triumphierend zog er das Lederband mit dem in Silber gefassten Stein heraus und ließ es außerhalb von Skynoms Reichweite in der Luft schwingen. »Hier ist es! «
»Gib es mir! « Skynom streckte dem Dieb die Hand entgegen, doch der hob das Amulett nur grinsend in die Höhe. »Für wie dumm hältst du mich eigentlich?«, fragte er und ahmte Skynoms Worte und Tonfall übertrieben nach. »Du bekommst das Amulett erst, wenn ich das Gold habe.« Skynom seufzte und verdrehte die
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