Die Saga von Thale 02 - Die Macht des Elfenfeuers
Die Erkenntnis war so ungeheuerlich und so unfassbar, dass sie die ganze Tragweite der schrecklichen Nachricht noch nicht zu überblicken vermochte. Sie wusste, sie war nicht ganz unschuldig daran, dass es zu dem vernichtenden Angriff hatte kommen können, und machte sich heftige Vorwürfe. Sie hatte die Gefahr, die den Elfen drohte, nicht bemerkt. Schlimmer noch: Sie hatte nicht im Traum daran gedacht, dass es dazu kommen könnte! Obwohl sie sich geschworen hatte, wachsam zu sein, hatte sie den gleichen Fehler begangen wie damals, als An-Rukhbar seinen vernichtenden Angriff auf Thale begann sie hatte darauf vertraut, dass die Bewohner Thaies stark genug waren, sich selbst gegen den Feind zu behaupten. Und wie damals waren die Folgen ihres Versäumnisses so vernichtend und grauenhaft, dass sie es kaum ertrug.
Doch es gab keine Entschuldigung. Sie hatte die düstere Wolke gesehen und beobachtet, wie sie langsam immer größer wurde. Doch anstatt beherzt zu handeln, hatte sie gezögert, Menschen und Elfen zu warnen. Selbst als die Botschaften, die ihre Dienerin aus der Finstermark sandte, Grund zur Besorgnis gaben, hatte sie nicht gehandelt.
Und jetzt war es zu spät! Die bittere Gewissheit machte der Göttin das Herz schwer. Ihre geliebten Nebelelfen waren vernichtet! Sie seufzte und eine funkelnde Träne lief ihr wie ein flüssiger Kristall über die Wange. »Auch Göttinnen sind nicht frei von Fehlern « , seufzte sie, doch selbst das war keine Rechtfertigung für ihr klägliches Versagen.
Wie blind war sie gewesen, als sie sich wie jeden Herbst darauf vorbereitet hatte, die Huldigungen und Gebete der Elfen entgegenzunehmen jene Energie, aus der sich ihre Macht formte!
Wie hatte sie die Gefahr so unterschätzen können?
Warum hatte sie nichts gespürt?
Was dann geschehen war, ließ sich nur mit dem verheerenden Angriff An-Rukhbars auf Nimrod vergleichen, dem tausende Bewohner des Landes vor vielen hundert Sommern zum Opfer gefallen waren. Damals wie heute hatte die Wucht der dunklen Energien, die völlig unerwartet auf sie eingeströmt waren, sie geschwächt und ihr die Möglichkeit genommen, im letzten Moment noch helfend einzugreifen.
Nach dem Angriff waren ihre Kräfte langsam zurückgekehrt und sie hatte sich auf den Weg zum Weiher gemacht, um durch die Nebei der Weisheit zu erfahren, was in Caira-Dan vorgefallen war. Aber noch zögerte sie, denn sie ahnte bereits, welches Bild sich ihr bieten würde. Von dunklen Vorahnungen erfüllt, fürchtete sie sich fast, die Nebel anzurufen.
Aber sie musste es tun. Jetzt, sofort und nicht erst später. Eile war geboten, denn wer immer die Nebelelfen angegriffen hatte, beließ es sicher nicht dabei. Die Menschen! Sie musste die Menschen warnen und versuchen, wenigstens ihnen zu helfen. Zum Trauern blieb keine Zeit. Die Finsternis war neu erstarkt. Anzunehmen, dass die Menschen ohne Hilfe der Elfen auch nur die leiseste Hoffnung hätten, sich des mächtigen Gegners zu erwehren, wäre ein verhängnisvoller Fehler. Sie musste einschreiten. Entschlossen hob die Göttin den Blick und ihre Lippen formten die Worte, die ein Bild Caira-Dans in dem Nebel erschufen.
Der Boden der Finstermark erbebte unter den stampfenden Schritten vieler hundert Cha-Gurrlinen-Krieger. Trockener Sand wirbelte auf und hüllte alles, was sich hinter den vordersten Reihen befand, in einen staubigen roten Nebel. Niemand, der die geschlossene Phalanx der mit Äxten, Schwertern und Morgensternen bewaffneten schwarzen Krieger auf sich zukommen sah, vermochte die wahre Größe der Heeres zu ermessen, doch allein der Anblick reichte aus, jeden das Fürchten zu lehren.
Seit vielen Sonnenläufen waren die Krieger zum Abmarsch bereit gewesen und hatten ungeduldig auf den Befehl ihres Meisters gewartet. Der Einmarsch in Thale war für sie mehr als nur ein Eroberungsfeldzug er war die Rückkehr in ein Paradies, in dem es für sie keine Entbehrungen mehr geben würde. Die Aussicht, dem Hunger, dem Durst und der Kälte entfliehen zu können, hatte ausgereicht, um sie für den Angriff zu gewinnen, und ihr Hass auf die Gütige Göttin, deren Schwertpriesterin Sunnivah ihrem Volk vor mehr als zweihundert Sommern eine schmachvolle Niederlage zugefügt hatte, tat ein Übriges, um der barbarischen Natur der Cha-Gurrline freien Lauf zu lassen.
Unaufhaltsam wie eine zerstörerische schwarze Flut näherte sich das Heer der Grenze der Finstermark.
Gnoorat war einer der Letzten, die dem langen Heerwurm folgten. Man
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