Die Saga von Thale 03 - Die Hüterin des Elfenfeuers
gut erhalten und könnte uns zu den entflohenen Nebelelfen führen, wenn ihr Tollpatsche nicht wie blinde Hühner darauf herumgetrampelt wärt und die Zeichen verwischt hättet.« Wütend schlug er mit der Faust auf den Boden. »Ah, verdammt, warum konntet ihr nicht aufpassen! Jetzt werden wir nie herausbekommen, wohin sie geflohen . . . «
In diesem Augenblick stöhnte einer der tot geglaubten Elfenkrieger in unmittelbarer Nähe der Tür und regte sich unter großen Schmerzen. Asco-Bahrran sprang auf und eilte zu ihm, schob den Arm unter seinen Kopf und richtete ihn ein wenig auf, um ihn genauer betrachten zu können. »Er lebt«, stellte er fest und winkte einen Cha-Gurrlin herbei. »Bring ihn zu den Heilerinnen«, befahl er dem Krieger. »Sie sollen ihn gesund pflegen. Wenn er stirbt, werden sie sein Los unverzüglich teilen. Sag ihnen das. Dieser Nebelelf ist für uns von größter Wichtigkeit. Er ist der Einzige, der uns sagen kann, was hier vorgefallen ist und wohin sie gegangen sind.« Nachdenklich beobachtete der Magier, wie der Cha-Gurrlin den Nebelelfen aufhob und aus dem Gewölbe trug, dann wandte er sich an den Kommandanten. »Ihr könnt auch verschwinden«, sagte er übellaunig. »Hier gibt es mittlerweile nichts mehr für euch zu tun.« Er rümpfte angewidert die Nase und deutete auf den Boden vor der Tür. »Aber schafft zuerst die Toten fort, der Gestank ist unerträglich.«
Es war noch dunkel, als Naemy gemeinsam mit den letzten geretteten Nebelelfen die Lichtung nahe dem großen Gießbach erreichte. Im Osten über den schroffen Gipfeln der Valdor-Berge verblassten bereits die Sterne, doch im Westen hatte die Nacht das Land noch immer fest im Griff. Glamouron und die anderen Nebelelfen erwarteten sie im schützenden Grenzbereich der hohen Christalltannen, die die Lichtung nahe dem Pentagramm säumten. Während die Übrigen im Schatten der großen Bäume zurückblieben, eilte Glamouron auf Naemy zu und schloss sie glücklich in die Arme. »Ich fürchtete schon, dich zu verlieren. Meli lenwain i-phain a el en-fuin nin -süßester aller Schätze und Stern meiner Nacht«, sagte er voller Zuneigung und hielt sie fest, als
wolle er sie niemals wieder loslassen. Seine Schulter war notdürftig verbunden, doch die Wunde blutete noch immer.
»Es stand auf Messers Schneide«, erwiderte Naemy erschöpft. Für einen Augenblick genoss sie die zärtliche Umarmung, dann löste sie sich sanft, aber bestimmt aus Glamourons Armen und sah sich um. Fünfunddreißig Nebelelfen war die Flucht gelungen. Das waren weit mehr, als die Göttin ihr aufgetragen hatte. Doch der Preis dafür war hoch gewesen, und die Sorge um die Zurückgebliebenen machte ihr das Herz schwer. Sie wandte sich mahnend an die Geretteten.
»Nur dem Edelmut und der Selbstlosigkeit unserer Brüder und Schwestern, die ihr Leben einsetzten, um uns zu retten, ist es zu verdanken, dass wir hier sind«, sagte sie und blickte sich um, als wartete sie auf etwas.
»Was ist?«, fragte Glamouron.
»Die Krieger an der Tür.« Naemy stockte. »Sie wollten uns folgen, sobald wir das Pentagramm verlassen haben«, erklärte sie schließlich und starrte weiter auf die Stelle, an der die zurückgebliebenen Krieger jeden Augenblick erscheinen mussten.
6
Endlose Augenblicke voller Hoffen und Bangen verstrichen, aber in dem Pentagramm, das Naemy und Glamouron am Vorabend auf den Boden der Lichtung gezeichnet hatten, rührte sich nichts.
Irgendwo in den Bäumen stimmte ein einsamer Vogel den frühen Morgengesang an, um die Dämmerung zu begrüßen, doch in den Ohren der Nebelelfen klang das Lied eher wie ein trauriger Abgesang.
»Es hat keinen Sinn, noch länger zu warten.« Behutsam legte Glamouron Naemy die Hand auf die Schulter. »Wenn es ihnen gelungen wäre, den Cha-Gurrlinen zu entkommen, so wären sie längst hier.«
Naemy antwortete nicht. Einige Herzschläge lang stand sie noch reglos da und starrte auf das leere Pentagramm. Dann hob sie den Blick zu den verblassenden Sternen und zitierte mit feierlicher Stimme eine Zeile aus dem traditionellen Gebet der Nebelelfen zu Ehren der Verstorbenen.
»Sinya du-n she ed treysa star inro - möget ihr das Licht finden, das hinter den Sternen leuchtet!«
Tränen glänzten ihr in den Augen, als sie sich umwandte und Glamouron ansah. »Sie waren sehr tapfer. Ohne ihre Hilfe wären wir gescheitert.«
»Ich bin sicher, sie werden voller Ehre in die Ewigen Gärten des Lebens heimkehren«, Glamouron
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