Die Saga von Thale 03 - Die Hüterin des Elfenfeuers
legte ihr tröstend den Arm um die Schultern. »Mach dirkeine Vorwürfe. Du hast getan, was in deiner Macht stand, doch jetzt müssen wir nach vorn schauen. Alle, die hier sind, brauchen dich.«
»Du hast Recht.« Naemy zwang sich zu einem Lächeln und wischte eine Träne fort. »Ein langer und gefahrvoller Weg liegt vor uns. Es ist nicht gut, wenn Trauer den Blick trübt, doch ich werde die Erinnerung an jene, die nicht mit uns ziehen konnten, stets in meinem Herzen tragen. Wir haben ihnen viel zu verdanken.« Sie seufzte tief und fragte mit einem besorgten Blick auf Glamourons verletzte Schulter: »Wie geht es dir?«
»Es ist halb so schlimm, wie es aussieht«, behauptete Glamouron und hob den rechten Arm, um ihr zu beweisen, dass alles in Ordnung sei. Sein schmerzverzerrtes Gesicht strafte die Worte Lügen, doch Naemy tat, als bemerkte sie es nicht, und ging auf die wartenden Nebelelfen am Waldrand zu. Viele lächelten Naemy zu, doch manche wirkten unsicher. Ein junger Elfenkrieger löste sich aus der Gruppe und trat auf Naemy zu.
»Wir stehen tief in eurer Schuld«, richtete er das Wort an Naemy wie auch an Glamouron. »Wir alle waren des Todes, ohne Aussicht auf Rettung, und es mutet fast wie ein Wunder an, dass ihr es wagtet, uns zu Hilfe zu eilen. Es gibt keine Worte für das, was wir in diesem Augenblick empfinden, doch es wäre zu wenig, wenn sich unsere tiefe Dankbarkeit allein in Schweigen ausdrückte.« Er hielt inne und schaute Naemy an. »Glamouron ist uns allen wohl bekannt, und auch dich glauben einige zu erkennen. Wir sind jedoch nicht ganz sicher, deshalb verzeih meine Frage: Bist du Naemy?«
»Ja, die bin ich!« Naemy lächelte, als sie hörte, wie ein erstauntes Raunen durch die versammelten Nebelelfen ging. »Ich bin es, aber ich kann eure Verwunderung gut verstehen. Ich habe euch viel zu berichten, doch das braucht Zeit. Ihr seid hungrig und erschöpft. Dort hinten«, sie deutete auf die Jagdhütte, »haben meine Gefährten und ich ein paar Vorräte gelagert. Lasst uns ein Feuer entzünden und uns stärken, danach ist Zeit genug, um zu reden. Ihr werdet alles von mir erfahren.« Mit einem Mal stutzte sie, blickte sich suchend um und wandte sich fragend an Glamouron: »Ist Shari nicht hier?«
»Darari! Darrai!« Das laute Gebrüll der Cha-Gurrlinen-Krieger riss Paira aus dem unruhigen Schlummer, in den sie kurz vor der Morgendämmerung gefallen war. Sie hatte geglaubt, keinen Schlaf zu finden, doch die Strapazen des vergangenen Tages hatten schließlich ihren Tribut gefordert, und die tröstliche Anwesenheit Yovans hatte ein Übriges getan, dass sie sich dem Schlaf hingegeben hatte.
So früh am Morgen war die Luft noch windstill. Die unerträglichen Ausdünstungen von Unrat und Exkrementen lagen über dem Innenhof und machten jeden Atemzug zur Qual. Der Übelkeit erregende Gestank peinigte Pairas Sinne, und als sie die Augen öffnete, kehrte auch die Furcht zurück. Beim Anblick der vielen Menschen, die hier gegen ihren Willen zusammengepfercht waren, schlugen Pairas Ängste wie eine düstere Woge über ihr zusammen, und die Stimmen der Cha-Gurrlinen-Krieger nährten die dunklen Vorahnungen, die sie seit der Begegnung mit Okowan plagten.
Als sie den Blick in Richtung der schwarzen Krieger wandte, sah sie, wie die Gefangenen nahe dem Tor aufgescheucht wurden. Die Bewegung setzte sich wie eine Welle über den ganzen Innenhof fort, während die Cha-Gurrlinen mit gezogenen Schwertern durch die Menge der lagernden Gefangenen schritten und jeden, der nicht sofort aufsprang, mit Fußtritten dazu zwangen.
»Maite, wach auf! Schnell!« Paira rüttelte ihre Schwester so lange an der Schulter, bis diese erwachte. »Wir müssen aufstehen. Beeil dich!«
Kaum dass Maite die Augen geöffnet hatte, zerrte Paira sie in die Höhe. Keinen Augenblick zu früh. Schon kam ein Cha-Gurrlinen-Krieger an ihnen vorbei, um jene, die noch am Boden kauerten, durch brutale Schläge und Tritte zum Aufstehen zu zwingen.
»Darari! Darrai!« Von allen Seiten erklangen die ungeduldigen Rufe der Krieger, und die Schmerzenslaute der misshandelten Gefangenen mischten sich mit dem unterdrückten Stöhnen der Verwundeten zu einem unheilvollen Chor.
»Gütige Göttin, steh uns bei.« Es war das erste Mal an diesem Morgen, dass Paira Yovans Stimme hörte. Wie gebannt hatte der Geschichtenerzähler die Cha-Gurrlinen-Krieger beobachtet.
»Die Göttin hat uns längst verlassen«, murmelte sie verbittert und fügte so leise hinzu,
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