Die Saga von Thale 03 - Die Hüterin des Elfenfeuers
Armen zu winden, doch der Kurierreiter hielt sie lachend fest. »Das war wieder so eine typische Antwort von dir«, sagte er voller Zuneigung und küsste Naemy auf die Stirn. »Ich kann dich nicht zwingen, die Unruhe abzulegen«, fuhr er fort, »doch ich spüre, dass dich etwas belastet, und das bekümmert mich. Ich wünschte, ich . . . «
In diesem Augenblick fuhr eine heftige Windböe durch den Wald und peitschte die Kronen der hohen Tannen so heftig, dass ein Regen aus braunen Nadeln auf die Gruppe der Elfen niederging- Bronadui wieherte schrill und alarmierend und wäre vermutlich davongelaufen, wenn Naemy sich nicht geistesgegenwärtig aus Glamourons Armen befreit und nach dem Halfter gegriffen hätte.
»Es sind die schwarzen Krieger! Lauft!«, schrie sie den anderen zu und stürmte, ohne eine weitere Erklärung abzugeben, den Hang hinauf. Die anderen folgten ihr ohne zu zögern. Niemand konnte einen Gegner sehen, doch sie vertrauten Naemy blind und stellten keine Fragen. Selbst Fedeon, der mit der katzengleichen Gewandtheit der Nebelelfen nicht mithalten konnte, bot alle Kräfte auf, um den Anschluss an die Gruppe nicht zu verlieren.
Naemys geistesgegenwärtiges Handeln rettete ihnen vorerst das Leben. Nur wenige Augenblicke nachdem der letzte Nebelelf zwischen den Bäumen verschwunden war, fegte erneut eine eisige Windböe durch den Wald. Nadeln und Blätter wurden vom Boden aufgewirbelt, und eine dichte, tief hängende Wolke, die sich in der kalten Luft am Hang bildete, verdeckte alles, was sich darin befand.
Der Wind legte sich so rasch, wie er gekommen war, doch die Wolke blieb träge zwischen den Bäumen hängen. Aus ihrem Innern drangen seltsame Geräusche. Das Klirren von Waffen und Rüstungsteilen mischte sich in der Stille des Bergwaldes mit dem Knarren von hartem Leder und unheimlichen gutturalen Lauten, wie kein Mensch sie hervorzubringen vermochte. Die Geräusche wirkten in der friedlichen Umgebung fremd und störend, doch das kümmerte die Gruppe der vierzig schwer bewaffneten Cha-Gurrlinen nicht, als sie wenig später aus dem Dunst der Wolke traten und die Verfolgung der Nebelelfen aufnahmen.
An eine Rast war nicht mehr zu denken. Schonungslos trieb Naemy die Nebelelfen an, in der Hoffnung, den einzigen Ort, an dem sie ein wenig Sicherheit finden konnten, noch rechtzeitig vor den Cha-Gurrlinen zu erreichen: die andere Seite der kleinen Brücke, die über die Klamm führte. Niemand widersprach ihr. Zwar hatte keiner der Flüchtlinge die Krieger mit eigenen Augen gesehen, doch die Geräusche, die hinter ihnen durch den Wald hallten, bestätigten Naemys Worte auf unheilvolle Weise: Die Cha-Gurrlinen verfolgten sie und waren schon bedrohlich nah.
An einen Kampf war nicht zu denken. Obwohl alle Nebelelfen erfahrene Kämpfer waren, besaßen sie viel zu wenig Waffen, um sich den Cha-Gurrlinen erfolgreich entgegenzustellen. So blieb ihnen als einziger Ausweg die Flucht, gepaart mit der Hoffnung, dass die Rüstungen und Waffen die schwarzen Krieger stark behinderten und sie ihnen nicht so schnell folgen konnten.
Als sich die Sonne dem Horizont zuneigte und die frühe Dämmerung von den Berghängen Besitz ergriff, schallte plötzlich ein fremdartiger Laut durch den Wald. Zunächst war er nur schwach und dünn, wie ein verhallendes Echo, doch je weiter sie gingen, desto schriller und gespenstischer wurde er.
»Horch!« Glamouron, der Bronadui am Zügel führte, fasste Naemy warnend bei der Schulter.
Auch der Falbe zeigte sich ängstlich auf den schauerlichen Ton. Er schnaubte nervös und tänzelte unruhig.
»Wir nähern uns der Klamm«, erklärte Naemy keuchend. »Das Geräusch stammt vom Wind, der von dem Gletscher kommend in die Schlucht einfällt und sich dort an den Graten und Felsen bricht.« Ein dünnes Lächeln huschte über ihr Gesicht. »Noch ein paar hundert Längen, dann haben wir es geschafft. Ich denke nicht, dass die Cha-Gurrlinen uns über die Brücke folgen können, der Steg ist viel zu schmal. Auf der anderen Seite sind wir sicher -zumindest fürs Erste.«
Wenig später lichtete sich der Wald, und über ihnen zeigten sich die ersten Fetzen des blauen Abendhimmels. Das Lärmen des Windes war inzwischen so laut, dass sie sich anschreien mussten, um sich zu verständigen. Glamouron hatte alle Mühe, den Falben festzuhalten. Als sie wenig später den Schutz der Bäume hinter sich ließen, führte Naemy die Gruppe auf einen felsigen Hang, an dessen Ende sich eine steil aufragende
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